Ein Kind will im Haus bleiben, das andere verkaufen

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Erbstreitigkeiten. Ein Mediator spricht über Konfliktsituationen beim Erben – und Lösungsansätze, die damit beginnen, dass sich alle an einen Tisch setzen. Oft krankt es daran, dass niemand ehrlich sagt, was ihm wichtig ist.

Wien. In Erbschaftsangelegenheiten wird viel gestritten – das war immer so und wird sich nie ändern. Das neue Erbrecht bringt zwar Klarstellungen, aber auch neues Konfliktpotenzial.

Längst nicht alle Erbstreitigkeiten landen vor dem Kadi, die meisten zerstören aber den Familienfrieden. Das müsste nicht sein, meint Ulrich Wanderer. Er ist Jurist, hat sich aber nicht dem Streiten vor Gericht verschrieben. Als Mediator unterstützt er Menschen bei der Suche nach Kompromissen. Etwa bei Scheidung, Konflikten unter Nachbarn, Problemen am Arbeitsplatz – und in Sachen Erbrecht. Was er mache, sei keine Rechtsberatung, betont er, „ich decke eher die psychologische Seite ab. Damit rechnet bei einem Juristen niemand.“ Der Überraschungseffekt erleichtere ihm dann oft die Arbeit. Wobei diese ohnehin nur möglich sei, „wenn alle Beteiligten ein gemeinsames Ergebnis wollen“. Er kontaktiere die Konfliktparteien auch nicht, das müsse derjenige tun, der die Mediation angeregt hat. Wenn die anderen sich dann ebenfalls bei ihm melden, sei der erste Schritt getan. Wichtig sei es auch, dass sich alle die Kosten der Mediation teilen. „Sonst kann der Mediator leicht in den Verdacht kommen, parteiisch zu sein.“

„Niemand sagt: ,Ich will‘“

Aber was sind typische Szenarien, in denen ein unparteiischer Dritter vielleicht helfen kann? Wanderer nennt drei: die Nachlassregelung, die Phase zwischen dem Tod des Erblassers und der Einantwortung (der Übergabe des Nachlasses an die Erben) und den Umgang mehrerer Erben mit Miteigentum. Der Klassiker: Eines der Kinder will im gemeinsam geerbten Haus wohnen, das andere will verkaufen.

Dabei fällt gerade das in dieser Situation oft schwer: offen über die eigenen Prioritäten zu reden. „Niemand sagt: ,Ich will‘ oder ,Ich brauche‘, sondern: ,Das ist unfair‘, ,Das hat unser Vater bestimmt nicht so gewollt‘“, sagt Wanderer. Würde jeder seine Bedürfnisse freimütig ansprechen, kämen vielleicht Informationen ans Licht, die eine Lösung erleichtern könnten, meint er.

Über Bedürfnisse zu reden ist aus seiner Sicht auch bei der Nachlassregelung wichtig. Auch da geschieht das aber oft nicht: Da ist die Tochter, die sich rührend um den Garten des Vaters kümmert. Sie tut es ihm zuliebe, er meint, ihr Herz hänge daran, und verspricht ihr: Sie wird den Garten einmal erben. Das Geld, das da ist, will er für ihren Bruder aufsparen. Sie heuchelt Freude – dabei hat sie ihren Job verloren, will sich selbstständig machen, braucht dringend Bares. Sie wäre dafür sogar zu einem Erbverzicht bereit. Ihr Vater ahnt von all dem nichts.

Oder eines von mehreren Kindern hat von den Eltern ein Grundstück geschenkt bekommen, das seither stark im Wert gestiegen ist – und jetzt tut sich die heikle Frage auf, wie das einmal auf den Erbteil angerechnet werden soll. Die neuen Bewertungsregeln begünstigen dieses Kind gegenüber den anderen, das wollen die Eltern nicht. „Auch da sollten sich die Geschwister zusammensetzen“, sagt Wanderer. Wie gesagt: Wenn alle das wollen, ist der erste Schritt getan. (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2017)

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