Neues Erbrecht, neue Streitfragen

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Vom Pflegevermächtnis bis zu neuen Bewertungsregeln bei der Schenkungsanrechnung: Die Erbrechtsreform bringt wichtige Verbesserungen, aber auch neue Problemfelder. Klare Verfügungen können abhelfen.

Wien. Am 1. Jänner trat die Erbrechtsreform in Kraft. Auch wenn sie im Endeffekt nicht so radikal ausgefallen ist, wie es manchen Proponenten anfangs vorschwebte: Einige Änderungen sind doch sehr gravierend. Wer schon eine letztwillige Verfügung getroffen hat, tut gut daran, diese zu überprüfen und nötigenfalls zu adaptieren. Aber auch wer seinen Nachlass nicht geregelt hat – in der Annahme, dass die gesetzliche Erbfolge sowieso passt –, sollte hinterfragen, ob das jetzt noch zutrifft.

Will zum Beispiel jemand, der verheiratet ist, aber keine Kinder hat, seinen Geschwistern, Nichten oder Neffen einen Erbteil hinterlassen, muss er das jetzt ausdrücklich verfügen. Denn neben einem Ehepartner oder eingetragenen Partner haben Seitenverwandte kein gesetzliches Erbrecht mehr. Schwächer geworden ist auch die erbrechtliche Position der Eltern: Sie haben kein Pflichtteilsrecht mehr. Angenommen, jemand, der seine Frau als Alleinerbin eingesetzt hat, stirbt vor seinen Eltern – dann hätten diese früher einen Pflichtteil bekommen, jetzt gehen sie leer aus. Auch was sie ihrem Sohn geschenkt haben, fällt zur Gänze an die Ehefrau (und in weiterer Folge an die angeheiratete Familie, etwa an Kinder aus erster Ehe). Wer das nicht will, muss sein Testament ändern.

War Pflege entgeltlich?

Ebenfalls zu beachten ist das neue, gesetzliche Pflegevermächtnis. Anspruch darauf haben nahestehende Personen, wenn sie den Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod mindestens sechs Monate lang gepflegt haben. Und zwar in nicht bloß geringfügigem Ausmaß – im Schnitt müssen es über 20 Stunden pro Monat gewesen sein – und unentgeltlich. Dass pflegende Angehörige nicht leer ausgehen sollen, sei ein lauteres Anliegen, sagt Manfred Umlauft, Notar in Dornbirn. Er warnt jedoch vor Beweisproblemen, vor allem in der Entgeltfrage. Ein Beispiel: Eine Tochter pflegt ihre Mutter, diese steckt ihr immer wieder Geld zu – ist das dann schon ein Entgelt für die Pflege? Oft werden die anderen Erben von solchen Geldflüssen auch gar nichts erfahren bzw. sie nicht beweisen können. Um hier Klarheit zu schaffen, rät Umlauft, Zuwendungen an pflegende Angehörige schriftlich festzuhalten. Eine echte Entgeltvereinbarung könnte man ebenfalls treffen (wie das steuerlich zu behandeln wäre, steht allerdings auf einem anderen Blatt). Oder aber pflegende Angehörige bekommen eine testamentarische Zuwendung. Auch dann sind klare Verfügungen wichtig. Um beim obigen Beispiel zu bleiben: Die Mutter möchte der Tochter zum Dank für die Betreuung die Hälfte ihres Vermögens hinterlassen, ihren beiden anderen Kindern nur jeweils ein Viertel. „Dann sollte das ausdrücklich so im Testament stehen“, empfiehlt Umlauft. Sonst könnte die Tochter das Pflegevermächtnis zusätzlich beanspruchen, bekäme also im Endeffekt mehr, als ihre Mutter ihr zugedacht hat.

Neuerungen gibt es auch beim Pflichtteilsrecht: Nicht nur der Anspruch der Eltern ist weggefallen, auch die Regeln über die Pflichtteilsminderung und Enterbung wurden geändert. Zudem wurde eine Stundungsmöglichkeit für den Pflichtteil eingeführt. Diese soll Erben, die Pflichtteilsberechtigte auszahlen müssen, eine gewisse Entlastung bringen und vor allem die Weiterführung von Betrieben erleichtern. „Dass der Pflichtteil gestundet werden soll, kann man im Testament anordnen“, sagt Umlauft. Andernfalls hat der Erbe, der den Pflichtteil leisten muss, zwar die Möglichkeit, die Stundung bei Gericht zu beantragen, seine Position ist aber schwächer.

Sinnvoll ist die Stundung vor allem, wenn derjenige, der den Pflichtteil leisten muss, keinen Kredit bekäme. Wer kreditwürdig ist, fährt – zumindest derzeit – mit einem Bankdarlehen wahrscheinlich besser. Denn der gesetzliche Zinssatz für die Pflichtteilsstundung beträgt vier Prozent pro Jahr.

Neue Bewertungsregeln

Neu gefasst wurde auch das Schenkungsanrechnungsrecht. Das sei gut so, sagt Umlauft: „Bisher war es schwer zu vollziehen.“ Bei der Bewertung von Schenkungen, die auf den Erbteil anzurechnen sind, wurde früher fingiert, die geschenkte Sache gehöre zum Nachlass. Man versuchte, alles nach dem gleichen Maßstab zu bewerten. Jetzt bildet der Wert zum Schenkungszeitpunkt die Bewertungsbasis und wird mit dem Verbraucherpreisindex auf den Todestag valorisiert. Das sei eine klare Regel, sagt Umlauft. Ganz unproblematisch sei sie jedoch nicht: Sie begünstigt Erben, denen der Erblasser vor längerer Zeit eine Liegenschaft geschenkt hat – deren Wert ist nämlich viel stärker gestiegen als der Verbraucherpreisindex.

Zwar kann der Geschenkgeber mit dem Beschenkten vereinbaren, dass für die Anrechnung auf den Erbteil – wie bisher – der Wert zum Todeszeitpunkt gelten soll. Das ist aber nur einvernehmlich möglich. Verzerrend können sich auch Umwidmungen auswirken: Wird etwa aus einer landwirtschaftlichen Fläche Bauland, steigt der Wert enorm. Auch das bleibt aber bei der Schenkungsanrechnung unberücksichtigt, wenn nichts anderes vertraglich vereinbart wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2017)

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