Pflegeversicherung: Luxus oder Notwendigkeit?

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Über den letzten Lebensabschnitt denkt wohl niemand gern nach. Das ist mit ein Grund, warum Pflegeversicherungen noch nicht zum Massenprodukt geworden sind.

Wien. Lange zu leben ist ein Wunsch, den die meisten hegen. Doch mit fortgeschrittenem Alter werden die Mühen des Alltags schwerer und Hilfe von außen ein nicht abzuwendendes Übel. Für junge Menschen ist das kaum vorstellbar. Doch spätestens wenn die Pflegebedürftigkeit naher Verwandter zum Thema wird, läuten die Alarmglocken. Auch finanziell kann die veränderte Lebenssituation zur Belastung werden – wenngleich der Staat Geld zuschießt.

Pflegeversicherungen gibt es hierzulande schon seit vielen Jahren, populär sind sie deswegen aber noch lange nicht. Rund 445.100 Beziehern von Pflegegeld stehen rund 60.000 private Pflegeversicherungsverträge gegenüber.

In der Bevölkerung herrsche, gar nicht zu Unrecht, die Annahme, dass Vater Staat alles richte, sagt Uniqa-Vorstand Peter Eichler. „Auch wenn das in Zukunft alles andere als wahrscheinlich ist, stellt sich damit für viele die Frage, ob man für eine mögliche Pflegebedürftigkeit überhaupt eigenverantwortlich vorsorgen muss.“ Logisch wäre hier eine klare und ehrliche Linie der Politik, sagt Eichler.

Ein Produkt, mehrere Varianten

In Österreich sind es mehrheitlich über 81-Jährige, die Leistungen des Staates in Anspruch nehmen müssen. Weil Frauen statistisch gesehen länger leben, machen sie auch den größten Anteil der Leistungsempfänger aus. Doch was bringen Pflegeversicherungen überhaupt? Und worauf muss man bei ihnen achten?

Bei den Pflegeversicherungstarifen gibt es zwei unterschiedliche Modelle: Eines davon ist an die Pflegegeldstufen des Staates gekoppelt. In Österreich gibt es sieben solcher Stufen, 29 Prozent der Pflegebedürftigen haben im heurigen Jänner Geld aus Stufe zwei erhalten. Zwei Prozent beziehen Geld aus Stufe sieben.

Das andere Versicherungsmodell basiert auf den sogenannten ADS, den Activities of Daily Life. Hier richtet sich die ausbezahlte Rente nach der Art der Tätigkeiten, die nicht mehr verrichtet werden können. Ein Arzt oder Gutachter stellt hier die Pflegebedürftigkeit des Patienten fest.

Doch für welche Variante sollte man sich entscheiden? Verag-Versicherungsmakler Rudolf Mittendorfer beantwortet das so: „Wenn man Angst hat, dass die Versicherung im Ernstfall nicht zahlt, sollte man jenes Modell wählen, das an das staatliche System gekoppelt ist.“ Habe man indes Sorge, dass der Staat seine Pflegeleistungen eines Tages herunterschraube, sollte man zu jener Variante greifen, bei der definiert wird, welche Aktivitäten man im täglichen Leben noch ausführen könne – und welche nicht. „Es ist leichter, Klage gegen eine Versicherung als gegen die Sozialversicherung zu führen“, sagt Mittendorfer.

Die Pflegepolizze ist billiger, je früher man sich für einen Abschluss entscheidet. Für ein Produkt der Wiener Städtischen Versicherung, dass am staatlichen Modell orientiert ist, bedeutet das: Ein 30-Jähriger, der künftig eine Verdoppelung des staatlichen Pflegegeldes ab Stufe eins erhalten will, muss eine Monatsprämie von rund 37 Euro bezahlen. Soll die Auszahlung erst ab Pflegestufe vier erfolgen, beläuft sich die monatliche Prämie auf 20 Euro.

Für einen 50-Jährigen wird es deutlich teurer: Er zahlt ab Pflegestufe eins monatlich 110 Euro, ab Stufe vier rund 55 Euro. Bei der Wiener Städtischen kann sich ein Kunde aussuchen, ob der Zuschuss der Versicherung lediglich ein Viertel des staatlichen Pflegegeldes beträgt. Oder aber, ob die Prämie 200 Prozent der staatlichen Leistung betragen soll. Einen 30-Jährigen würde Letzteres (ab Stufe eins) 74 Euro monatlich kosten. Einen 50-Jährigen 220 Euro.

Entscheidet man sich hingegen für das ADL-System, dann gilt bei der Uniqa beispielsweise: Für 1000 Euro versicherte Pflegerente pro Monat zahlt ein 40-Jähriger 705 Euro jährlich, ein 60-Jähriger 1545 Euro. Können drei Tätigkeiten nicht selbst ausgeübt werden, erhält der Kunde 40 Prozent der versicherten Rente. Bei sechs Tätigkeiten oder Demenz beträgt die Leistung 150 Prozent.

Der Vorteil dieses Produkts: Im Todesfall wird den Erben eine Ablebensleistung ausbezahlt, sofern keine Versicherungsleistung in Anspruch genommen wurde. Für Pflegeversicherungen bestehen in der Regel Altersgrenzen – wobei diese durchaus unterschiedlich ausfallen können. Vorerkrankungen führen entweder zu einer Prämienerhöhung oder zur Ablehnung durch den Versicherer.

Ist der Worst Case abgedeckt?

Angesichts der Komplexität und Beratungsintensität dieser Produkte rät Christian Prantner von der Arbeiterkammer, sich im Zuge eines Vertragsabschlusses vorab bei einem Experten zu informieren.

Doch kann eine Pflegeversicherung das schlechtestmögliche Szenario in der Zukunft überhaupt abdecken? Immerhin sind Pflegeheime schon heute nicht billig. „Wir wollen nicht den Anschein erwecken, dass hundert Prozent des Bedarfs immer und ewig garantiert sind“, sagt Eichler. „Wir hoffen natürlich, dass unsere Produkte den individuellen Bedarf abdecken.“

Aber: Man könne nicht wissen, wie und ob sich staatliche Rahmenbedingungen und Kostensituationen in ferner Zukunft entwickeln. Dennoch sei es allemal besser, „mehr als weniger Geld“ zu haben, wenn es darauf ankommt, so Eichler.

Für Mittendorfer steht jedenfalls fest: Die heutigen Produkte sind noch lange nicht am Ende ihrer Entwicklung angekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2014)


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