Die hohen Zinsversprechen sind zu einer hohen Bürde geworden. Einem Viertel der europäischen Versicherer drohen finanzielle Probleme.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) sieht eine Krise in der deutschen und europäischen Lebensversicherungsbranche heraufziehen. Die langfristigen Versprechen hoher Garantiezinsen seien zu einer schweren Bürde vor allem für mittelgroße Anbieter geworden, heißt in einem Bericht zur globalen Finanzstabilität, den der IWF am Mittwoch in Washington vorlegte. Das Problem könne das gesamte Finanzsystem in Mitleidenschaft ziehen.
"Die Herausforderungen, die sich den Lebensversicherern stellen, müssen schnell angegangen werden", so der IWF-Bericht. Stresstests zeigten, dass ein Viertel der Versicherer in einer längeren Phase mit niedrigen Zinsen nicht in der Lage wäre, ihre Kapitalanforderungen zu erfüllen. Der Versicherungszweig habe allein in der EU ein Anlageportfolio von rund 4,4 Billionen Euro und die Vernetzung in der Finanzbranche nehme zu, wodurch die Ansteckungsgefahren wüchsen.
Deutschland und Schweden stark betroffen
Hintergrund ist die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die Wirtschaftsflaute und Mini-Inflation. Staatsanleihen, in denen das Geld der Versicherungen meist steckt, bringen kaum noch Erträge. Die Unternehmen müssen jedoch die großen Garantieversprechen der Vergangenheit erfüllen - und jedes zweite zahle dadurch derzeit drauf, so der IWF. Je länger eine Firma einen Zins garantiert habe, desto größer werde das Risiko für sie.
Besonders groß sei das Missverhältnis in Deutschland und Schweden. Dass die garantierte Rendite in der Bundesrepublik in diesem Jahr wegen dieser Problematik von einst 4,0 auf 1,25 Prozent für neue Verträge sank, helfe nicht viel. Der zu zahlende Zins liege im Durchschnitt immer noch bei rund 3,2 Prozent, während eine 10-jährige Staatsanleihe nur etwa 0,3 Prozent abwerfe, so der IWF.
Der Krisenhelfer aus Washington fordert eine strengere Regulierung der Produkte und eine bessere Aufsicht, um eine Schädigung der Kunden zu vermeiden, wenn Versicherungen in Kapitalnot geraten. Zudem würde ein international besser abgestimmtes Sicherheitsnetz die Industrie schützen helfen.
FMA: Zinsrückstellungen angeordnet
In Österreich hieß es dazu heute aus der Finanzmarktaufsicht (FMA), man habe das Thema bereits frühzeitig adressiert und per Verordnung die Bildung einer Zinszusatzrückstellung angeordnet. Ihre Dotierung richte sich nach den versicherungsmathematischen Risiken eines anhaltenden Niedrigzinsumfeldes. Die Zinszusatzrückstellungen seien dementsprechend ausreichend zu dotieren. Man ist insgesamt von einem Bedarf von rund 200 Mio. Euro ausgegangen. Die Zinszusatzrückstellungen seien aktuell höher dotiert als versicherungsmathematisch derzeit erforderlich.
Der Garantiezinssatz, den die Versicherungen maximal versprechen dürfen - wird von der FMA verordnet und liegt in Österreich seit Jahresbeginn bei 1,5 Prozent. Zuvor hatte er 1,75 Prozent betragen.
Bei den großen österreichischen Versicherungsunternehmen Vienna Insurance Group (VIG) und Uniqa wirkt sich das Niedrigzinsumfeld bereits in sinkenden Neugeschäftsmargen aus. VIG-Vorstandsdirektor Martin Simhandl, zuständig für Asset Management, kritisierte zuletzt die QE-Politik der EZB: "Das trifft uns hart, weil es zu einer künstlichen Zinsveränderung nach unten führt." Die Uniqa bietet die klassische Lebensversicherung nur mehr ohne Garantiezins an.
(APA/dpa)