Sind Lebensversicherungen ein Auslaufmodell?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Die Finanzmarktaufsicht senkt den Garantiezins für klassische Lebensversicherungen erneut. Viele Assekuranzen raten daher, Polizzen mit Fondsanteilen abzuschließen. Dabei ist aber das Risiko höher.

Wien. Die österreichische Finanzmarktaufsicht (FMA) wird schon bald wieder eingreifen. Per Verordnung will sie demnächst festlegen, dass der Garantiezins bei klassischen Lebensversicherungen erneut gesenkt wird. Ab Jahresbeginn 2016 soll statt 1,5 Prozent nur noch ein Zins von 1,0 Prozent erlaubt sein. Davon betroffen ist auch die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge.

Die Reduktion ist allerdings nur für Neukunden relevant. Für bestehende Verträge in der klassischen Lebensversicherung gilt weiterhin die bei Abschluss garantierte Verzinsung. Außerdem müssen die Versicherungen ihre Risikovorsorgen erhöhen.

Die Finanzmarktaufsicht reagiert mit der bevorstehenden Maßnahme auf das allgemein niedrige Zinsniveau. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins so stark gesenkt wie noch nie zuvor. Betroffen waren zunächst die Sparer.

Berücksichtigt man die Inflationsrate und die Kapitalertragsteuer, ist Sparen schon seit Längerem ein Verlustgeschäft. Nun treffen die niedrigen Zinsen auch mit voller Wucht die Versicherungen. Sparer und Inhaber von Lebensversicherungen leisten einen Beitrag in der europäischen Schuldenkrise: Die niedrigen Zinsen helfen in erster Linie den stark verschuldeten Ländern, damit diese leichter ihr Defizit abbauen können. Auf die Versicherungsbranche hat das gravierende Auswirkungen.

In Deutschland stellen daher immer mehr Assekuranzen das Geschäft mit klassischen Lebensversicherungen ein. Den Kunden werden nur noch Produkte angeboten, die sich stärker an der Entwicklung der Kapitalmärkte orientieren. Damit werden aber auch die Risken verstärkt auf die Kunden abgewälzt.

„In Deutschland waren in der Vergangenheit die versprochenen Garantien höher als in Österreich. Trotzdem sind sich beide Märkte ziemlich ähnlich“, sagt Walter Hager, Versicherungsexperte beim Verein für Konsumenteninformation (VKI), im „Presse“-Gespräch. Im Gegensatz zu Deutschland wollen in Österreich die meisten großen Anbieter aber weiterhin klassische Lebensversicherungen verkaufen. Eine Ausnahme ist die Uniqa, die nur noch Lebenspolizzen ohne Garantiezins anbietet – dafür sind die Nettoprämien garantiert.

Hohe Kosten als Problem

Praktisch alle Versicherungen raten daher nun Neukunden, Polizzen mit Fondsanteilen abzuschließen. Damit seien die Ertragschancen größer, heißt es. Doch die Kunden sollten dabei genau klären, welches Risiko sie tatsächlich eingehen wollen.

Wer sich für eine fondsgebundene Lebensversicherung mit einem hohen Aktienanteil entscheidet, ist von der Entwicklung an den Börsen abhängig. In den vergangenen Jahren legten viele europäische und die US-Börsen kräftig zu. Doch mittlerweile gibt es immer mehr Stimmen, die meinen, dass sich an den Finanzmärkten eine Blase gebildet habe. Diese könnte – allein, wenn man die Turbulenzen in China betrachtet – platzen.

Ein Hauptproblem bei Lebensversicherungen sind die hohen Kosten, sagt Walter Hager vom Verein für Konsumenteninformation. Von 100 Euro werden 15 Euro für Gebühren, Provisionen und Steuern abgezogen. Nur 85 Euro werden daher tatsächlich veranlagt. „Bei den jetzigen Zinssätzen sind klassische Lebensversicherungen ein Verlustgeschäft“, sagt Hager. Auch nach 20 Jahren können die Gebühren und Provisionen nicht zurückverdient werden.

Hager rät daher ebenfalls eher zu fondsgebundenen Lebensversicherungen, wobei aber das Risiko zu berücksichtigen sei. Und, so der VKI-Experte: „Auch bei fondsgebundenen Lebensversicherungen sollen Kunden unbedingt auf die Kosten achten.“

Seinen Angaben zufolge gibt es den einen oder anderen kleinen Anbieter wie die Nürnberger oder die APK, bei dem weniger als zehn Prozent der eingezahlten Prämien für Gebühren und Steuern aufgewendet werden. „Leider ist die Branche sehr intransparent. Nur die wenigsten Versicherungen legen ihre Kostenstruktur offen“, kritisiert Hager. Aus den Werbebroschüren und Prospekten gehe im Regelfall nicht hervor, wie viel Geld beispielsweise in die Verwaltung fließe. „Privatkunden müssen sich dazu an einen Versicherungsmakler wenden“, rät Hager. Doch auch ein Makler verlangt Geld.

Ärger mit der „Zillmerung“

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die sogenannte „Zillmerung“. In Österreich basieren noch immer 95Prozent aller neu abgeschlossenen Verträge auf gezillmerten Tarifen. Bei der Zillmerung – benannt nach dem Versicherungsmathematiker August Zillmer – geht es darum, dass die Abschlusskosten in den ersten Jahren nach Vertragsunterzeichnung fällig werden. Das wirkt sich negativ auf die Rendite aus. Hager rät daher Versicherungskunden, nur Verträge abzuschließen, bei denen die Kosten auf die gesamte Laufzeit verteilt werden. Doch auch hier lasse die Informationspolitik der Versicherungen zu wünschen übrig. „Für die Konsumenten ist es schwer zu erkennen, ob die Tarife ungezillmert sind“, so Hager. Auch hier sei ein Versicherungsmakler, der viele Angebote vergleichen kann, hilfreich.

Die Finanzmarktaufsicht reagiert jetzt auf die Kritik der Konsumentenschützer und will den Assekuranzen neue Informationspflichten auferlegen. Damit sollen Verbraucher den Ertrag, die Kosten und die Leistungen der einzelnen Produkte besser vergleichen können. [ iStockphoto ]

AUF EINEN BLICK

Auch Lebensversicherungen sind von den extrem niedrigen Zinsen betroffen. Die Finanzmarktaufsicht (FMA) wird schon bald wieder eingreifen und per Verordnung festlegen, dass der Garantiezins bei klassischen Lebensversicherungen erneut gesenkt wird. Ab Jahresbeginn 2016 soll statt 1,5 Prozent nur noch ein Zins von 1,0 Prozent erlaubt sein. Davon betroffen ist auch die prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge. Deshalb raten nun viele Assekuranzen den Neukunden, dass sie fondsgebundene Lebensversicherungen abschließen sollen. Dabei steigt allerdings das Risiko für die Versicherungskunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2015)

Mehr erfahren

Home

OECD: Renditen bei Pensions- und Lebensversicherungen gefährdet

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung warnt wegen der Niedrigzinsphase vor möglichen Insolvenzen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.