VKI: "Bei Millionen Polizzen könnte Rücktritt möglich sein"

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Bei zahlreichen Lebensversicherungsverträgen liege eine fehlerhafte Rücktrittsbelehrung vor, sagen Konsumentenschützer. Dies führe zu einem unbefristeten Rücktrittsrecht.

Zahlreiche Österreicher können von ihren ab 1994 abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen wegen fehlender oder falscher Rücktrittsbelehrung zurücktreten, wenn sie dies wollen - so die Rechtsmeinung des Verein für Konsumenteninformation (VKI) und seiner Anwälte. Eine Überprüfung der ersten 1000 Verträge ergab, dass bei zwei Drittel eine fehlerhafte Belehrung vorliege, so der VKI am Dienstag.

"Millionen Verträge betroffen"

"Wir rechnen, dass Millionen Verträge betroffen sind, wo ein Rücktritt möglich und eventuell auch wirtschaftlich sinnvoll wäre", sagte Ulrike Wolf, die Leiterin der Abteilung Sammelaktionen beim VKI, vor Journalisten. Der Oberste Gerichtshof (OGH) habe vor einem Jahr festgestellt, dass eine fehlerhafte Belehrung über das Rücktrittsrecht einer gänzlich fehlenden Belehrung gleichzuhalten sei und ebenfalls zu einem unbefristeten Rücktrittsrecht führe, erinnerte Rechtsanwalt Alexander Klauser von der Wiener Kanzlei Brauneis Klauser Prändl (bkp).

Freiwilliges Einlenken von Versicherungsunternehmen in der LV-Polizzen-Rücktrittsfrage gebe es nicht, zumindest sei ihm kein einziger Fall bekannt, so Klauser auf Anfrage. Offenbar habe man Angst vor einem Dammbruch und setze lieber auf weitere juristische Klärungen.

Judikatur zu der Frage gebe es in Österreich aber bisher nur in Form des auf eine vorangegangene EuGH-Entscheidung gestützten OGH-Urteils. Derzeit laufen seinen Angaben zufolge Musterprozesse zur Höhe der Differenz zwischen niedrigerem Rückkaufs- und höherem Rücktrittswert, selbst im Nachhinein zu schon gekündigten oder ganz normal ausgelaufenen Verträgen. Laut OGH und auch nach Meinung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) können auch solche Verträge nachträglich von Anfang an (ex tunc) weggebracht werden, so der Anwalt.

Noch keine Sammelklagen eingebracht

Daneben seien Verbandsklagen von Arbeiterkammer (AK) oder VKI zu allgemeinen Versicherungsinformationsfragen, etwa Bedingungen, Schriftform, Beginn des Fristenlaufs etc. anhängig. Sammelklagen seien zu dem LV-Rücktrittsthema in Österreich jedoch noch keine eingebracht, so Klauser.

Der VKI und auch Anwalt Klauser gehen davon aus, dass bei einem Rücktritt aufgrund falscher und fehlender Belehrung über das Rücktrittsrecht - etwa wenn statt der 30-tätigen Frist lediglich 14 Tage genannt wurden - den betreffenden Versicherungsnehmern sämtliche eingezahlten Prämien ohne Abzug von Verwaltungskosten sowie zuzüglich Zinsen zurückzuzahlen sind. Lediglich der Abzug eines Risikoschutz-Anteils, etwa für Todesfall- oder Berufsunfähigkeitsrisiko, könnten abgezogen werden, sagte auch der Aktuar und Diplom-Wirtschaftsmathematiker Philipp Schade.

(APA)

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