Blattlinie

Still und heimlich oder mit Ansage? Wie Aufmacher entstehen.

Nummer 111 aus der Reihe der Fragen, die sich Leser vermutlich nie stellen, von denen Journalisten aber glauben, dass sie sie interessieren und die tatsächlich manchmal interessant sind: Wie entsteht eigentlich der Aufmacher einer Zeitung? Etwa dieser?

Im Anlassfall beginnt die Genese mit einem Kollegen, der auf den ersten Blick mit der Cover-Geschichte gar nichts zu tun hat: JakobZirm. Er schrieb in der Dienstagsausgabe der „Presse“ einen Leitartikel („Kinderlose profitieren vom Nachwuchs anderer Leute“ – wenn jemand nachlesen will), in dem er eine deutsche Studie (auch dort ist heuer Wahlkampf) thematisierte, die Kinderlosigkeit als Trittbrettfahrerverhalten bezeichnet. Die deutschen Experten schlugen vor, dass die volle Pension erst ausbezahlt werden soll, wenn man zwei oder drei Kinder hat. (Übrigens nicht die erste provokante Idee vom Nachbarn: Schon im Vorjahr forcierten junge Unionsabgeordnete eine Strafsteuer für Kinderlose).

Der Zirm-Artikel sorgte nicht nur im Online-Forum für eine Debatte, sondern auch bei der analogen Redaktionskonferenz: Hat die Idee etwas für sich? Greift sie ungebührlich in private Entscheidungen ein? Was wäre gerecht? Und inwiefern leben Eltern und Kinderlose überhaupt in verschiedenen Welten? Je kontroverser und länger so etwas diskutiert wird, desto aufmerksamer wird der Chef des Lebens-Ressorts, Erich Kocina. Während alle noch so vor sich hin reden, ist er viel weiter: beobachtet, analysiert und überlegt, wie er all das in eine sonntagszeitungstaugliche Form bringt. Man könnte auch sagen: Ein wenig sind wir alle seine Laborratten.

Natürlich gibt es aber auch potenzielle Aufmacher, die ganz anders entstehen. Zum Beispiel jener von Norbert Rief, der eine tolle Fotogeschichte über Afrikas letzte Könige ins Blatt gezaubert hat. Still und leise und einfach so.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2013)

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