Präventiver Abschiedsschmerz, möglicher Jubel

(c) Bloomberg (Luke MacGregor)
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Echte Trauer und ziemlich viel Wut. Eine sonntägliche Tour der kollektiven Emotionen.

Should I stay or should I go“, „Please don't leave me this way“ − es ist kein Zufall, dass die Brexit-Zeitungscovers dieser Tage mit Songtexten übertitelt werden. Denn auch wenn es beim EU-Austritt von Großbritannien vor allem um die politisch-wirtschaftlichen Folgen geht (und zuletzt leider auch um tödliche Begleiterscheinungen), so sollte man eines nicht vergessen: den ästhetischen Zauber, den die Briten auf Generationen von Jugendlichen ausgeübt haben. Kate Moss, Monty Python, die Frage „Mod oder Punk“ oder auch zwei der besten Kleidungsstücke, Trenchcoat und Parka . . . Großbritannien ist/war eine romantische Projektionsfläche für die Sehnsucht nach einer Lässigkeit, die „stiff upper lip“ und Rebellion unter einen Hut bringt. In dieser Ausgabe vermessen Korrespondent Gabriel Rath und Feuilleton-Chef Thomas Kramar unseren präventiven Abschiedsschmerz.

Der uns auch im Fußball droht. Samstagabend war für Österreich ein Schicksalstag. So oder so. In einem Land, das nur Jubeln oder Verdammen kennt, sind Sportjournalisten derzeit Inseln der Gelassenheit. Vermutlich auch, weil sie sich ihre Energie bis zum 10. Juli einteilen müssen. Um einen Schicksalstag geht es diesmal auch im Chronik-Teil, jedoch um einen real-brutalen. Am Montag jährt sich die Amokfahrt in Graz. Mirjam Marits war für eine Reportage in ihrer alten Heimat. Der Schauplatz der Geschichte von Anna-Maria Wallner passt dagegen in jede Hosentasche. Sie fasst die Debatte über Hass im Netz zusammen. Zuletzt gaben u. a. bekannte Journalistinnen Einblick in das Ausmaß des Hässlichen, das an die Oberfläche kommt, wenn man nur die gesichtslose Weite des Internets als Resonanzraum hat. Weil das Schweigen der Opfer Teil der Hasstaktik ist (vor allem wenn es − wie so oft − gegen Frauen geht), ist das Reden darüber wichtig. Damit die Scham dorthin zurückwandert, wo sie hingehört: zu den Tätern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2016)

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