Culture Clash: Freitag, der 13.

Nie ist mir die Lebensfreude unserer Bundesregierung so aufgefallen wie jetzt. Anlass dazu sind das Regierungsprogramm und ein belgisches Gesetz.

Gern würde ich ausführlich über die am Freitag, dem 13., gebildete Bundesregierung schreiben. Aber an diesem Platz geht es um Kulturbruchlinien. Zwei davon wurden in der Vorwoche sichtbar.

Zunächst die diametral entgegengesetzten Aktionen unserer neuen Regierung und des belgischen Senats: Unsere Regierung hat ein „nachhaltiges Bekenntnis zum Verbot der Tötung auf Verlangen“ angekündigt, also ein klares Nein zur Euthanasie. Wenige Stunden zuvor hat der Senat die Tötung auf Verlangen in Belgien auf Kinder ausgeweitet.

Mir ist der österreichische Weg lieber. Sicher, in Belgien hat der Arzt ein Kind nur dann umzubringen, wenn es bald stirbt, große Schmerzen leidet, den Todeswunsch selbst erklärt und die Eltern einverstanden sind. Aber diese Limits kann man dehnen. Wenn etwa der Primar freie Betten braucht und das Kind eh wahrscheinlich in acht Wochen tot ist und die Eltern auch schon ganz erschöpft – wie autonom ist die achtjährige Silvie in einer solchen Situation?

Heute kann die Palliativmedizin in den meisten Fällen unerträgliche Schmerz verhindern. Dennoch wird Euthanasie in Belgien immer mehr zur Routine. Es ist ja auch billiger, als ewig lang teure Schmerzpräparate zu zahlen. Mir ist aber eine Gesellschaft lieber, die sagt: „Das stehen wir gemeinsam durch.“ Und nicht: „Da spritzt der Onkel Doktor dich am besten tot – nicht wahr, das willst du doch auch?“

Ich habe allerdings noch nie ein Kind unerträgliche Schmerzen leiden sehen. Ich habe also keine persönliche Erfahrung. Das ist eine Parallele zum Culture-Clash der Vorwoche: Uruguay hat Anbau und Besitz von Cannabis in Kleinmengen – und den Verkauf über Apotheken – legalisiert, die UNO sieht das als Bruch der Drogenabkommen, und sogar die Uruguayer sind mehrheitlich dagegen.

Ich habe noch nie einen Joint geraucht. Aber es dürfte gesichert sein, dass in Sachen Suchtgefährdung und Gesundheitsschäden der normale Tabak im Joint deutlich gefährlicher als der Hanf ist. Auch Alkohol liegt bei beiden Kriterien weiter vorn. Warum Nikotin und Alkohol erlaubt sind, Cannabis aber verboten, ist mir nicht ganz verständlich. Aber vielleicht gibt es ja gute Gründe.

Auch in Belgien ist Cannabis-Besitz und -Konsum in Maßen erlaubt, nicht aber der Verkauf. Es ist dort jetzt also so, dass einem Dealer, der einem Erwachsenen das relativ harmlose Rausch- und Schmerzmittel Cannabis anbietet, Gefängnis droht. Jemand, der im Krankenhaus einem Kind eine tödliche Überdosis Schlafmittel andient, wird jedoch als Diener der Humanität respektiert. Das verstehe, wer will.


Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2013)

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