Frontnachrichten aus dem Kulturkampf

Frauenschicksale. Zwei tragische Meldungen kommen aus der islamischen Welt – die eine macht auch Hoffnung, die andere kündet nur von männlicher Barbarei.

In der Vorwoche hat eine tragische Geschichte Saudiarabien bewegt. Am Mittwoch starb eine Studentin an Herzversagen – angeblich, weil die Leitung ihrer Frauenuniversität den männlichen Sanitätern zwei Stunden lang den Zutritt zum Campus verweigert hat.

Die Sache ist allerdings nicht eindeutig. Die Universitätsleitung dementiert den Vorwurf: Demnach sei die Studentin um 12.10 Uhr zusammengebrochen, 25 Minuten später habe man die Rettung gerufen, die um 12.45 Uhr eingetroffen und sofort hereingekommen sei. Die Rettung habe die Studentin ins Spital gebracht, wo um 13.39 Uhr der Tod festgestellt worden sei. Die Schwester der Toten hat hingegen im Sender Al-Arabiya erklärt, dass diese um 11 Uhr zusammengebrochen sei und die Sanitäter bis 13 Uhr warten mussten, bis sichergestellt war, dass sie nicht mit weiblichen Studenten in Berührung kommen konnten.

Der Ruf nach einer Untersuchung ist bereits laut geworden. Augenzeugen berichten, dass die Rektorin und die Dekanin überfordert waren. Damit wäre die Lage ähnlich wie 2002, als in einer Schule in Mekka 15 Mädchen verbrannten. Der Vorwurf lautete damals, Polizisten hätten die Kinder nicht auf die Straße gelassen, weil sie nicht verschleiert waren. Eine Untersuchungskommission verneinte dies, stellte aber fest, dass die Schule auf Notfälle nicht vorbereitet war.

Bei aller Tragik hat die Sache einen positiven Aspekt: Das Dementi der Universität und die breite Diskussion in den Medien, sogar im saudischen Fernsehen, zeigen, dass der Fall nicht als unvermeidliche Folge der Geschlechtertrennung gesehen wird. Offensichtlich geht nicht einmal der strenge wahabitische Islam so weit, lieber eine junge Frau sterben zu lassen, als gegen die Gesetze der Schicklichkeit zu verstoßen. Vielleicht wird den Saudis damit auch deutlicher, wie ungerecht ihre Geschlechtertrennung ist: Es entspricht der Logik einer völlig auf den Mann orientierten Gesellschaft, dass es nicht selbstverständlich auch weibliche Rettungsmannschaften gibt.

Während die öffentliche Diskussion in Saudiarabien wenigstens einen kleinen Hoffnungsschimmer birgt, ist eine andere Meldung der Vorwoche nur traurig: Das afghanische Parlament hat ein Gesetz beschlossen, wonach Verwandte des Beschuldigten in Strafprozessen nicht aussagen dürfen. Häusliche Gewalt wird damit de facto nicht mehr strafbar – was weitgehend zu Lasten der Frauen und Kinder geht.

Ich frage mich manchmal, was sich die ausländischen Soldaten denken, die jetzt aus Afghanistan abziehen – und dort in zwölf Jahren Kampf gegen die Taliban mehr als 3400 Mann verloren haben.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2014)

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