Papst Johannes Paul II. mit Geliebter und Sohn

Der Klerus in Polen ist Zielscheibe eines Plakates mit Johannes Paul II. samt "Konkubine und Sohn". Karl Marx zu plakatieren, wäre aber mindestens so passend.

In Polen gibt es Aufregung um ein geplantes Plakat einer atheistischen Vereinigung. Es soll Papst Johannes Paul II. mit fiktiver Geliebten und fiktivem Sohn darstellen und damit eine Kampagne einleiten, die die „Verachtung des Klerus der römisch-katholischen Kirche für Menschen und Tiere sowie die Arroganz, Frechheit, Heuchelei, Hochmut und Gier des Klerus entblößen“ soll.

Interessanter Versuch. Da niemand Konkubine und Sohn des Papstes für echt hält, sollen damit wohl die heimlichen Familien mancher Kleriker symbolisch dargestellt werden. Das funktioniert freilich meist nicht: Eine Lüge tut die Wahrheit nicht kund. Sie wird sogar eher selbst als verachtend, arrogant, frech und heuchlerisch empfunden.

Die heimliche Nebenfamilie ist auch kein Monopol des Klerus. Man könnte in die Kampagne auch Atheisten aufnehmen, zum Beispiel den Ehemann Karl Marx mit seiner Haushälterin Helene Demuth und dem gemeinsamen Sohn, der zu Pflegeeltern abgeschoben wurde. Oder Ludwig Feuerbach, der, während er seiner späteren Frau den Hof machte, mit dem Dienstmädchen Anna Boß ein Kind zeugte.

Klar: Atheisten predigen nicht, dass man Treueversprechen halten muss, Kleriker schon. Und wenn sie sich selbst nicht dran halten, gilt das als Heuchelei. Das muss es zwar nicht sein – auch der rauchende Arzt, der vor dem Nikotin warnt, ist kein Heuchler –, ein attraktives Glaubenszeugnis ist es aber auf keinen Fall. Das Plakat sagt also nichts Spezielles über den Klerikerstand aus, aber könnte für ihn und die katholischen Eheleute ein Ansporn zu Treue und Wahrhaftigkeit sein. Und dazu, nicht über die Schwachen zu richten, damit man nicht, wie es die Bibel sagt, selber gerichtet wird.

Mein Eindruck ist, dass atheistische Werbung aber ohnehin nicht wegen des Inhalts gemacht wird, sondern damit die Medien darüber berichten (was ich hiermit gerne tue). Etwa vor Jahren die Busplakate: „Wahrscheinlich gibt es keinen Gott. Kein Grund zur Sorge, genieß' das Leben!“ Medial ein Hit, aber inhaltlich schwach. Dass die Möglichkeit besteht, dass Gott nicht ist, war nun wirklich nicht neu (deshalb „glaube“ ich ja an Gott, statt ihn bloß zur Kenntnis zu nehmen). Und wenn wir, wie uns die Atheisten erklären, Gott nur erfinden, weil wir sonst den Widrigkeiten der Welt nicht gewachsen wären – wie soll uns dann die Zertrümmerung Gottes das Leben genießbarer machen?

Wo es keinen Zweifel gibt, gibt es auch kein Wachstum des Glaubens. Daher profitiert jede Religion von der Auseinandersetzung mit dem Atheismus. Ich bin mir nicht sicher, ob das umgekehrt auch gilt.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2014)

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