Mensch und Mammon

Der Papst hat die Weltwirtschaft als »unerträglich« bezeichnet. Sind Globalisierung und Marktwirtschaft jetzt für Katholiken tabu?

Ein katholisches Binnenthema, aber immerhin eins, das auch außerhalb der Kirche wahrgenommen wird, sind die Aussagen des Papstes zur Wirtschaft. Als Katholik, der rund 20 Jahre als Wirtschaftsjournalist gearbeitet hat, fällt es auch mir nicht immer leicht, seine Äußerungen richtig zu werten.

Und nicht nur mir. In Amerika gibt es gerade eine Debatte zwischen dem New Yorker Kardinal Dolan und katholischen Sozialethikern, ob der Papst eigentlich den freien Markt im Visier hat. Er selbst macht die Sache nicht einfacher, indem er etwa Begriffe wie Kapitalismus oder Marktwirtschaft vermeidet, von „diesem“ oder „unserem“ Wirtschaftssystem spricht und sich gegen Missstände wie Arbeitslosigkeit oder Marginalisierung wendet, die sowohl auf zu viel wie auf zu wenig Freiheit zurückgeführt werden können.

Jeder versucht dabei, den Papst für sich zu reklamieren. Mein Eindruck ist allerdings, dass diese Art der Reaktion dem Anliegen nicht gerecht wird.

Ich würde auch gern mit dem Papst streiten. Wenn er, wie jetzt gerade, in einem Interview das Weltwirtschaftssystem „unerträglich“ nennt, würde ich gern ins Treffen führen, dass immerhin im vergangenen Jahrzehnt der Massenwohlstand in der Dritten Welt deutlich gestiegen ist und der Hunger deutlich gesunken (siehe die Berichte der UNO zu den Millenniumszielen).

Derlei Diskussionen müssen auch geführt werden – aber nicht mit dem Papst. Er spricht ja nicht als Ökonom, sondern als Vater in Sorge. Und es geht – zumindest für Katholiken – darum, sich dieser Sorge zu stellen und nicht gleich die Analyse zu zerpflücken oder umgekehrt ein Papstzitat als Beleg für die Richtigkeit der eigenen makroökonomischen Theorie zu sehen. Eine fruchtbare Diskussion müsste um die Grundposition des Papstes stattfinden: dass die treibende Kraft unseres Wirtschaftssystems das Immer-mehr-haben-Wollen ist. Dass der Blick auf das Geld den Blick auf den Menschen verdrängt. Ich denke, dass es tatsächlich eine Missachtung des Papstes wäre, wenn man sich als Katholik nicht auf diese Mahnung einlässt. Ein billiges „In anderen Systemen ist es noch viel schlimmer“ wäre da zu wenig.

Wo aber die Ursachen von Fehlentwicklungen liegen, was genau in dieser Wirtschaft tötet, und was man besser machen kann – in diesen Fragen besteht sogar der Papst selbst nicht darauf, dass alle Katholiken seiner Meinung sein müssen. Denn „weder der Papst noch die Kirche besitzen das Monopol für die Interpretation der sozialen Wirklichkeit oder für einen Vorschlag zur Lösung der gegenwärtigen Probleme“ (Evangelii Gaudium, Punkt 184).

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2014)

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