Homage to a Government

Der Rückzug des Westens aus dem Irak hat George W. Bushs Angriff nicht wiedergut-, sondern erst so richtig schlecht gemacht.

Der Nahe Osten steht in Flammen, hat der chaldäische Patriarch nach den neuesten Schreckensnachrichten aus dem Irak gesagt. Ich frage mich, wie George W. Bush wohl heute über seine Entscheidung zum Irak-Krieg denkt. Ich frage mich auch, wie Friedensnobelpreisträger Barack Obama heute über seine Entscheidung zu einem Truppenabzug ohne Frieden denkt.

Die (Un-)Zulässigkeit einer militärischen Intervention ist ein gründlich bearbeitetes Feld der Ethik. Momente wie dieser werfen aber auch die Frage nach der Ethik des Weggehens auf, der Ethik des Sich-Heraushaltens aus dem Chaos, das man selbst mitverursacht hat. Indem sie den Krieg begonnen haben, haben die USA die Verantwortung für die Folgen der Destabilisierung mitübernommen – das Volk, nicht bloß sein Präsident. Eine solche Verantwortung endet nicht mit einer Neuwahl, einem Wechsel an der Spitze. Ist Obama dieser Verantwortung, für die er nichts kann, die er aber nun einmal hat, gerecht geworden? Und die anderen Staaten an der Seite der USA? Die Ideologen hinter George W. Bush führten die Gefährlichkeit des Nahen Ostens darauf zurück, dass er sich wegen der eisernen Hand seiner Diktatoren nicht entwickeln kann, was wiederum die zahlenmäßig starke Jugend frustriert und den Fanatikern zutreibt. Die Demokratisierung und Modernisierung eines freien Irak hätte nach dieser Theorie der Ausgangspunkt einer Demokratisierung, Modernisierung und dadurch Entschärfung der Region sein sollen.

Stattdessen haben wir den ambivalenten Arabischen Frühling – zu dem dem Westen bisher nicht viel mehr eingefallen ist als gelegentliche Bombereinsätze – und einen Irak mit Gangster-Regierung und einem wuchernden Kalifat im Norden, das uns wohl deswegen nichts angeht, weil es noch nicht die Potenz hat, in New York Wolkenkratzer einzuäschern. Nicht unser Bier.

Der englische Poet Philip Larkin hat vor 45 Jahren das bittere Gedicht „Homage to a Government“ geschrieben. Da heißt es: „Next year we are to bring the soldiers home / For lack of money, and it is all right. / Places they guarded, or kept orderly, / Must guard themselves, and keep themselves orderly [...] The places are a long way off, not here, / Which is all right, and from what we hear / The soldiers there only made trouble happen. / Next year we shall be easier in our minds. / Next year we shall be living in a country / That brought its soldiers home for lack of money. / The statues will [...] look nearly the same./ Our children will not know it's a different country./ All we can hope to leave them now is money.“

„Zurücklassen“ ist ein trauriges Wort.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2014)

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