Bischofssynode

Beim Homeschooling sind Frauen durch ihre Doppelrolle als Mutter und Lehrmeisterin herausgefordert. Der katholischen Kirche geht es nicht anders.

Dass sich in Österreich die Auffassung davon, was anständig ist, von der katholischen Auffassung unterscheidet, wurde unlängst wieder einmal deutlich – und zwar im steirischen Weitendorf, wo die Idee von Frau Renate K., ihr gut eingeführtes Bordell in ein Flüchtlingsheim umzuwandeln, vom ÖVP-Bürgermeister unter Verweis auf die Einwohner abgeschmettert wurde: Nicht vor den Gemeinderatswahlen!

Man versteht das jüngst in der „Presse“ zu lesende Diktum, der Kirche sei die Praxis der Gläubigen „entglitten“, aber es greift zu kurz. Kein Mensch hält alle Gebote ein. Das Puff ist so uralt wie die Fremdenangst. Das Neue in Ländern mit einer langen volkskirchlichen Tradition scheint mir vielmehr zu sein, dass selbst viele Kirchenmitglieder einzelne Gebote der Kirche nicht nur nicht einhalten, sondern auch nicht mehr annehmen wollen. Durchaus mit der Einstellung, dass das katholische Lehramt ihnen dabei folgen und die Gebote ändern sollte.

Es ist, positiv ausgedrückt, ein erstaunliches Zeugnis christlicher Gelassenheit, dass über diese Auseinanderentwicklung erst jetzt eine Bischofssynode offen und eingehend diskutiert. Eine radikale Anpassung der Regeln war dabei von vornherein nicht zu erwarten. Selbst die von Kardinal Kasper betriebene vorsichtige Zulassung wieder verheirateter Geschiedener zu den Sakramenten – in definierten Ausnahmefällen und unter strengen Auflagen – käme hierzulande einer drastischen Einschränkung der in vielen Pfarren herrschenden liberalen Praxis gleich. Die von vielen Katholiken gewünschte allgemeine Unterstützungserklärung der Kirche für zweite Ehen ist das nicht.

Dass die Debatte in der Synode dennoch kontrovers ausfiel, hat auch damit zu tun, dass in großen Teilen der Weltkirche die Moralvorstellungen der Kirche nicht als vormodern, sondern als Avantgarde gesehen werden oder auf der Höhe der Zeit. Es ging aber auch nicht um ein Entweder-oder, ob also die Kirche entweder barmherzig sein oder den Menschen die Gebote unter die Nase halten soll. Die wenigsten Bischöfe sind Schwarz-Weiß-Typen. Es ging viel mehr um ein für unsere Zeit richtig austariertes Miteinander von Heiligung und Trost. Ein Krebsarzt, der – außer in hoffnungslosen Fällen – die nötige Chemotherapie verschweigt und nur tröstet, ist kein Heiler. Einer, der nicht einfühlsam begleitet, wird aber auch kaum jemanden heilen.

Das Spannungsverhältnis von Milde und Strenge ist schon in den Evangelien grundgelegt. Es wäre sonderbar, würde sich diese Spannung nicht auch auf einer Bischofssynode zeigen. Offenbar gehört sie einfach dazu.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2014)

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