"Wir werden nicht gehen. Erwarte uns. Jederzeit. Überall."

Wie ein paar Schweizer Muslime versuchen, Islamophobie zu schüren, indem sie sie zu bekämpfen vorgeben.

Der fundamentalistische Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) hat ein Video online gestellt, das Furore macht. Laut Sprecher Abdel Azziz Qaasim (der Patric Jerome Illi hieß, als er Technopartys veranstaltete) soll das Video „die grassierende Islamophobie in der Schweizer Gesellschaft zum Thema machen“. Das dreiminütige Video zeigt einen vermummten Mann, der eine weiße Fahne mit dem islamischen Glaubensbekenntnis auf einen Schweizer Gipfel trägt. Ein Sprecher rezitiert dazu: „There was a time, when our hope was just a seed. In order to survive we left our homes. Facing extinction.“ Der Fahnenträger bricht zusammen – doch zwei weitere Vermummte richten ihn auf. „But now, we not only became a tree but a forest. Strong and unbreakable.“ Die Musik legt an Pathos zu. „The beginning of islamic revolution, which changed the world.“ Aus dem Wald laufen viele unverschleierte Muslime.

Dann kommt's: „You may ban our minarets, our headscarves, our niqabs and even our conferences. You may call our religion violent, not belonging to Switzerland. But know that we are here and we are part of this reality. We won't leave. Nor will we give up our peaceful struggle for equal rights. Basic liberties and toleration is all what we ask for. Expect us. Anytime. Anywhere. The Muslims of Switzerland.“


Parallelgesellschaft. Das Video ist Anschauungsmaterial dafür, wie man Islamophobie zum Grassieren bringt. Am Anfang steht das Unwillkommensein, das junge Muslime im Westen erleben. Qaasim erklärt das Video so: Nach der Zeit der ohnmächtig ertragenen Diskriminierung kämen „die jungen Muslime in Bewegung (Revolution). Sie wollen nicht mehr wie ihre Eltern maskiert in Deckung bleiben, sondern die Geschicke selbst in die Hand nehmen.“ Dieses „Geschick“ zielt aber nicht darauf ab, einen muslimischen Beitrag zur Schweizer Kultur zu liefern, sondern auf eine Parallelgesellschaft – die sich selbstbewusst gegen „euch“ stellt, die „ihr“ uns hasst. Es geht um die Macht, eine Kultur (nicht bloß eine Religion) ohne Abstriche und Einsprüche etablieren zu können. Aber wenn man eine eingesessene Kultur vor ein Ganz-oder-gar-nicht stellt, wird sie sich für das Gar-nicht entscheiden, sprich: islamophob werden.

Das Video illustriert: Es gibt in Europa die Spielart des besitzergreifenden Islam – aber es ist eine kleine Scharfmacherpartie. Dass der winzige IZRS, dem 0,5 Prozent der Schweizer Muslime angehören, das Video mit dem Absender „The Muslims of Switzerland“ versieht, ist Teil der durchsichtigen Islamophobie-Spirale, die es nicht mitzumachen, sondern zu stoppen gilt.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.