Ball im Abseits

An einem einzigen Abend im Jahr kann man FPÖ-Anhänger am Frack erkennen. Aber gibt es auch einen guten Grund, gegen den Akademikerball zu sein?

Wir sind ja selbst schuld, wenn im Ausland unsere Bälle als politische Ereignisse gelten. Unser Bundeskanzler residiert schließlich am Ball(!)hausplatz. Und dass vor exakt 200 Jahren ein europäisches antidemokratisches Vernetzungstreffen monatelang intensiv getanzt hat (auch in der Hofburg!), mag ein Übriges dazu beigetragen haben, dass man Wiener Bälle heute vor allem in Deutschland als verhinderungswürdigen Anschlag auf den Fortschritt begreift.

Das war schon eine Zeitlang beim Wiener Opernball so, bevor die vornehmlich deutsche Protestbewegung dessen Vernichtung ganz einem populären Wiener Baumeister überlassen hat und zum Akademikerball weitergezogen ist. Angesichts dieser Ballophobie finde ich nicht nur die Frage interessant, ob die Gegen-Demo bzw. deren Untersagung legitim waren, sondern auch die kaum gestellte: Soll es eigentlich so einen Ball geben dürfen?

Legal ist der Wiener Akademikerball ja zweifellos. Ein Verbot wäre rechtsstaatlich schwer zu begründen. (Und wenn irgendwann die seit 2008 propagierte EU-Gleichbehandlungsrichtlinie beschlossen wird, die jegliche Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung verbieten möchte, könnten außerdem die Betriebsgesellschaft der Hofburg bei einer Absage des Balls in Schwierigkeiten kommen, ebenso wie die Taxler, die sich weigern, Akademikerball-Gäste zu befördern).

Aber ist der Ball legitim? Haben die Demonstranten recht (abseits der Gewaltbereitschaft): Ist es moralisch richtig, notwendig und auch zweckmäßig, den Ball auf dem Demo-Weg zu bekämpfen? Der Veranstalter, die Wiener FPÖ, darf sich unangefochten regelmäßig in ihrem 27 Mann starken Landtagsklub treffen und dort rechte Politik aushecken, sie darf sich mit Gleichgesinnten auf Sommerakademien, Schulungswochenenden, Wahlveranstaltungen, Kinderfaschingsjausen (heuer übrigens am Tag nach dem Aschermittwoch), Bierverkostungen und Bergpartien vernetzen – aber wenn sie sich zum Tanzen treffen, ist die Geduld am Ende und die Freiheit in Gefahr. Wo ist da der Sinn? Der Ball ist bloß ein Ball. Die Proteste machen ihn erst zu jener politischen Ikone, gegen die sie glauben anstürmen zu müssen. Die linke Szene schafft es dabei, für den Normalbürger das eigentliche Ärgernis zu sein, zu dem die FPÖ-Tanzerei dann als legitime Gegenveranstaltung rüberkommt. Besser kann man den Gegner nicht bedienen. Wie schön wäre es, könnte man über den Rechtspopulismus dasselbe sagen wie Charles de Ligne über den Wiener Kongress: Er tanzt, aber er kommt nicht vorwärts. Die Spontis wollen offenbar beides verhindern.


Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2015)

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