Piktogrammpolitik

Ach, die Ampelpärchen – süß, aber ebenso unaufregend wie folgenlos. Reden wir doch lieber über das Umerziehungs- programm, das im Hintergrund abläuft.

Nur 18 Prozent der Wiener empfinden Österreich als kinderfreundliches Land. Das ist nicht gut für unsere Zukunft. Hat sich deshalb die Wiener Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou in ihrem für Generationsfragen nicht gerade erstzuständigen Ressort (es geht ja nicht um diese Art von Verkehr!) die ursüße Aktion ausgedacht, auf Fußgängerampeln künftig Kinderpaare statt Singles zu zeigen?

Die dargestellten Mädchen sind ja sowohl vom Körperbau her wie auch durch die gebauschten Kleidchen zweifelsfrei als Kindergarten- oder Volksschulkinder erkennbar. Die Menschen jeglichen Geschlechts in Hosen hingegen könnten auch älter sein, aber in der grünen Version laufen sie genau so los, wie man das bei kleinen Ausflüglern sehen kann, bei denen auch oft der eine den anderen an der Hand zieht.

Man sagt mir allerdings, es handle sich um erwachsene Paare, die mehr Toleranz gegenüber Homosexuellen bringen sollen. Ich halte das für nicht schlüssig. Glaubt denn jemand im Ernst, dass die Dumpfbacke, die einem Männerpaar aus sicherer Distanz „Scheißschwuchteln!“ nachruft, durch die neuen Piktogramme ein anderer Mensch wird? Oder jene, die heute noch meinen, dass die Ehe eine Verbindung von Mann und Frau ist: Werden diejenigen, die besonders oft über ampelgeregelte Zebrastreifen gehen, in ein paar Jahren ihre Ansicht häufiger geändert haben als andere?

Nein, kein vernünftiger Politiker würde dafür 63.000 Euro ausgeben. Nicht einmal, um der Welt die frohe Kunde zu bringen, wie tolerant und weltoffen Wiens Regierung (oder auch nur ihre Verkehrsstadträtin) ist. Denn es hält heute sowieso niemand die Bosse der Stadt von Conchita, Life Ball und Regenbogenparade für homophobe Hardliner.

Vielleicht ist die Ampelabsicht einfach: Jeder soll seine Liebe zeigen dürfen! Das wäre wenigstens eine liberale Agenda. Ganz anders als jenes Zwangsprogramm, das nicht dabei stehenbleibt, dass die Bürger jedem Mitmenschen, gleich welcher Orientierung, Wert und Würde zuerkennen und Respekt erweisen, sondern will, dass sie jedwede Sexualpraxis großartig finden müssen. So will etwa der Erlass der Bildungsministerin zur Sexualerziehung sicherstellen, dass schon bei Kindergartenkindern das Antrainieren korrekter Sexualität den als verklemmt angesehenen Eltern aus der Hand genommen wird. Und die SPÖ will mittels einer Gleichbehandlungsgesetzesnovelle die Haltung: „Macht, was ihr wollt, aber ohne mich“ unter Strafe stellen. Das geht über das wichtige Anliegen der Inklusion Homosexueller hinaus und hat, wie jede Umerziehung, keinen liberalen, sondern einen totalitären Zug.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2015)

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