Politische Kultur

Warum das Ausgrenzen der FPÖ als »zu böse zum Mitregieren« immer schon schizophren war. Oder ein strategischer Bluff, der nun platzt.

Vor acht Jahren war ich als Vizechefredakteur der „Presse“ zu einer Podiumsdiskussion in Wien eingeladen. Es ging um eine Nachschau auf das damals schon wieder zu Ende gegangene schwarz-blaue Experiment, und die Diskussion blieb mir aus zwei Gründen in Erinnerung: Erstens weil ich als Vertreter jenes Mediums, das sich für Schüssels FPÖ-Koalition ausgesprochen hatte, offenbar nur der Vollständigkeit halber auf dem Podium saß, aber nicht mitreden durfte. Der Moderator, noch immer voll Entrüstung über das Vorgefallene, ignorierte konsequent meine Versuche, mich zu Wort zu melden. Ich hätte das Ganze als stummer Gast miterlebt, wenn nicht nach etwa 45 Minuten meine Mitdiskutanten protestiert hätten: „Jetzt muss aber doch der Herr Prüller auch einmal etwas sagen dürfen?“

Zweitens wegen einer längeren Belehrung durch den damaligen Österreich-Korrespondenten der „Süddeutschen“, der uns erklärte, die Österreicher hätten bis heute den Unterschied zwischen „legal“ und „legitim“ nicht verstanden. Auch wenn die FPÖ eine legale (gesetzlich erlaubte) Partei sei, so wäre doch die Regierungsbeteiligung einer solchen Partei nicht legitim (moralisch gerechtfertigt).


Prüfung bestanden. Das erschien mir schon damals als Unsinn. Natürlich ist es legitim und manchmal auch höchst anständig für eine Partei zu sagen: „Mit denen? Niemals!“ Ich habe größte Hochachtung vor Franz Voves, der lieber seinen Sessel räumt, als eine FPÖ-Mitregierung zuzulassen. Aber es ist etwas anderes, einer zu den Wahlen zugelassenen Partei prinzipiell die Legitimation zum Mitregieren abzusprechen – und das ist, was die SPÖ mit der FPÖ seit 1986 tut.

Ob eine Partei den Rechtsstaat und die Demokratie gefährdet, wird von den Behörden laufend geprüft. Eine Zulassung zu den Wahlen heißt: Die Partei hat die Prüfung bestanden. Und zwar auch für den Fall, dass sie eine Mehrheit bekommt. Wenn ich eine solche Partei dann für absolut unkoalitionabel erkläre, sage ich: Sie ist so schrecklich, dass sie nur regieren darf, wenn sie eine absolute Mehrheit stellt – aber das Mitregieren in einer Koalition kommt nicht infrage!

Das ist entweder schizophren – oder Wahlstrategie, etwa um Alternativen zur Großen Koalition von vornherein auszuschließen und Regierungskonstellationen einzuzementieren. Und es ist ein Bluff, denn wenn man eine Partei wirklich für so zerstörerisch hielte, wie man tut, müsste man ihr Verbot betreiben. Da dieser Bluff kräftig zur politischen Erstarrung in Österreich beigetragen hat, kann es auch heilsam sein, wenn er nun zu platzen beginnt.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.