Väter und Überväter

Wenn der Staat unser Steuergeld verwendet, um uns zu erziehen, missachtet er den autonomen Bürger, dem er zu dienen hat. Es wäre Zeit, damit aufzuhören.

Ein liberaler Staat baut auf der Überzeugung auf, dass Erwachsene nicht mehr erzogen werden müssen. Und dass sie ihre Familienverhältnisse so gestalten sollen, wie sie es für gut halten. Wenn Minister und Staatsdiener sich darüber hinwegsetzen und uns (um-)erziehen wollen, ist das bedenklich genug. Wenn sie uns noch dazu auf unsere eigenen Kosten erziehen wollen, ist das unverschämt.

Ein kleines Beispiel: Vor ein paar Jahren hat der Umweltminister in Wien die Ringstraße eine Stunde für den Autoverkehr sperren lassen, um sie mit dem Fahrrad zu befahren und uns damit zu zeigen, dass Autofahren irgendwie böse ist. Nun ist es in einem liberalen Staat zweifelsfrei in Ordnung, dass Umweltvereine oder die Fahrradindustrie solche Demonstrationen veranstalten. Aber ein Minister ist Auftragnehmer von uns Bürgern und kein Übervater, den wir uns halten, damit er uns ins Gewissen redet. Dafür sind Philosophen, Kirchen, Bewegungen, Parteien, Medien usw. da.

Die Idee, dass Fortschritt dort entsteht, wo Staatsdiener die Menschen zu besseren Bürgern erziehen, ist besonders beliebt in Familienangelegenheiten. Allerdings nur teilweise. So gilt es als unstatthaft, dass der Staat die stabile Zweierbeziehung von Mann und Frau besonders fördert – obwohl man empirisch belegen kann, dass sie im Schnitt die besten Voraussetzungen mitbringt für das Hervorbringen und Aufziehen von Kindern, was wiederum für den Staat überlebenswichtig ist. Andererseits hat flächendeckende Männerkarenz für Gesellschaft und Staat null Nutzen (auch wenn der Einzelfall nützlich sein mag) – aber es ist chic, uns dazu zu erziehen.

Und unverschämt. Weil für die Erziehung der verstockten Erwachsenen auch noch deren eigenes Steuergeld verwendet wird. Kindergeld ist zur gerechten Lastenverteilung eingeführt worden – und Gerechtigkeit ein legitimer Verwendungszweck für Steuergelder. Auch als Maßnahme zu größerem Kinderreichtum ist es begründbar – denn auch der Kampf dagegen, dass die Nation ausstirbt, ist eine legitime Staatsaufgabe. Aber das Steuergeld wird dann missbraucht, wenn der Staat es als Belohnung für all die verwendet, die ihre Karenzzeit so regeln, wie die Frau Ministerin es für richtig hält, und nicht so, wie sie selbst es wollen.

Der Bürger sollte der Souverän bleiben und der Staat sein Diener. Wenn sich das dreht, geht die Freiheit den Bach hinunter. Und wenn die Frauenministerin wirklich den Eindruck hat, dass die Frauen zum Zuhausebleiben gezwungen werden, dann wäre es zynisch, sie für ein Jahr mittels Kindergeld von der Unterdrückung freizukaufen.


Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2015)

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