Vorzeigeväter

Der Uefa-Wunsch, dass Spielerkinder nach dem Match nicht mehr zu ihren Vätern laufen sollen, legt ein Dilemma bloß, das tatsächlich noch ernster als Fußball ist.

Selbst ich habe mitbekommen, dass derzeit ein größeres Fußballturnier im Gang ist. Und dass die Uefa verboten haben soll, dass die Kinder der Spieler nach einem Match zu ihren Papis auf den Rasen kommen. Hat sie natürlich nicht. Der Euro-Direktor Martin Kallen hat in einer Pressekonferenz nur davon gesprochen, dass die Kinder das nicht sollen: „Wir sind nicht hundertprozentig dagegen, aber wir sind vorsichtig, weil wir die Sicherheit garantieren müssen.“ Eine Europameisterschaft sei keine Familienfeier und ein Stadion nicht „der sicherste Ort für Kinder“. Was, wenn die Fans den Platz stürmen? Oder der Rasentraktor kommt? „Kleine Kinder mit fünf, sechs Jahren – wenn da etwas passiert, was sagt man dann?“

Dass Herr Kallen den Showcharakter reduzieren möchte, um das Fußballerische reiner über die Rampe zu bringen, wie manche Kommentatoren vermuten, glaube ich nicht. Der Mann ist immerhin der oberste Eventmanager der Uefa. Ich denke, er macht sich tatsächlich Sorgen. Vielleicht weniger um die Kinder als um die Negativwerbung, wenn doch einmal etwas passiert. Ich halte das Ganze trotzdem für symptomatisch für den Zustand Europas. Dass unsere Zivilisation sich langsam auflöst, liegt ja nicht an muslimischen Weltverschwörungen, sondern daran, dass uns der eigene Nachwuchs schneller ausgeht, als wir Zuwanderer integrieren könnten. Wenn wir in Europa nicht rund ein Drittel mehr Kinder zeugen als jetzt, wird von unserer heutigen Kultur in ein paar Generationen nur noch wenig übrig bleiben. Das fände ich schade, denn einerseits scheint mir unsere Kultur doch ziemlich gelungen. Andererseits bringt ein Schrumpfungs- und Auflösungsprozess soziale und sozialpsychologische Verwerfungen mit sich – Sozialabbau, Verteilungskämpfe, Abschottungstendenzen usw. –, deren Schatten uns schon jetzt frösteln macht.

Wir haben im eifrigen Wohlstandsschaffen, in Kallen'scher Übervorsichtigkeit und in Ehrfurcht vor den 27 Gendertypen (oder sind es 72?), ganz vergessen, dass eine Kultur ausstirbt, die Mutterschaft und Vaterschaft nicht mehr zu feiern und zu propagieren versteht. Und es gibt kaum eine bessere Propaganda, als jungen Männern – in dieser Frage ohnehin eine spröde Klientel – die Halbgötter zu zeigen, die sich im Moment ihres Triumphs nicht ansaufen, sondern mit ihren Kindern auf dem Rasen traumverloren glücklich sind.

Diese Szenen machen nicht nur aus verbissenen Kämpfern Menschen mit Herz, sondern sind eine so geniale Werbung für die Vaterschaft, dass die Uefa sie nicht nur dulden, sondern nach Kräften unterstützen sollte.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

(Print-Ausgabe, 10.07.2016)

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