Disunited States

Die große Feindseligkeit, mit der Republikaner und Demokraten einander gegenüberstehen, könnte anzeigen, dass der amerikanische Traum zu Ende geht.

Die Auswahl Clinton-Trump ist auch ein Betriebsunfall des amerikanischen Vorwahlsystems. Aber die eigentliche Geschichte hinter dem Faktum, dass noch nie in der Wahlgeschichte der USA zwei Kandidaten dermaßen polarisiert haben, ist eine andere. Diese Geschichte hat mit der (Re-)Ideologisierung der zwei Großparteien zu tun, die seit 40Jahren auseinanderdriften. Man kann das an den Approval Rates sehen, den Noten, die die Amerikaner ihrem jeweiligen Präsidenten geben. Natürlich war immer schon der Anteil jener, die einem Präsidenten ein positives Zeugnis ausstellen, unter den Anhängern seiner Partei größer als unter den Gegnern. Aber früher lag dieser Unterschied nur bei 35 bis 40 Prozentpunkten. Durch die konservative Wende der Republikaner mit Ronald Reagan und dann durch den Linksruck der Demokraten in der Zeit Bill Clintons wuchs dieser Abstand aber an. In Obamas Amtszeit hat er die historische Kluft von 67 Prozentpunkten erreicht.

Hinter der Polarisierung der Parteien steht eine Polarisierung der Gesellschaft. Die Jungen sind heute linker, die Alten rechter. Jede neue Generation hat zwar in den USA abwechselnd einen Rechts- oder Linkstrend gezeigt. Aber der Ausschlag ist heute stärker als früher. Die Ansichten sind extremer, und viel mehr Menschen als früher misstrauen fundamental der Gegenseite.

Die junge Generation der jetzt 18 bis 35-jährigen, ist deutlich marktwirtschaftsskeptischer, staatsgläubiger, areligiöser, diverser und weniger an klassischer christlicher Moral orientiert als frühere Generationen. Sie hat sich vom traditionellen amerikanischen Mainstream entfernt. Sie prägt heute die Demokraten und liebt Bernie Sanders mehr als Hillary Clinton. Während jene, die sich in den neuen Zeiten marginalisiert fühlen, die Republikaner prägen: weiße Männer, Ältere, unterer Mittelstand, weniger Gebildete. Sie lieben Donald Trump, aber dieser bietet ihnen nur eine Karikatur des amerikanischen Mainstreams, die auch der konservativen Parteielite zu radikal ist.

So sind die USA heute gespaltener als wahrscheinlich jemals in den letzten 150 Jahren. Eine Integrationsfigur ist nicht zu sehen. In den nächsten Jahren könnten da Parteiungen jenseits des alten Schemas entstehen, etwa eine Linkspartei, eine konservative Mitte und eine rechtspopulistische Bewegung. Wird das die Gesellschaft wieder zusammenführen? Die USA haben eindrucksvoll gezeigt, dass man ein Riesenland mit einer großen, dynamischen Bevölkerung über lange Zeit in Freiheit und Frieden zusammenzuhalten kann. Aber wie lang geht so etwas ohne Mainstream?

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien. ?

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.