Culture Clash

Fakebook

Ab jetzt gibt es Fake-News- Warnmeldungen bei Facebook. Nette Idee, aber sie werden wenig ändern. Die Freude, desinformiert zu werden, ist viel zu stark.

Die Meldung über die 41-jährige New Yorkerin, die ihrem Chef auf den Schreibtisch schiss, nachdem sie im Lotto gewonnen hatte, löste auf Facebook laut dem Nachrichtendienst Buzzfeed 700.000 Shares, Likes und Kommentare aus. Die Meldung, dass Obama den Treueeid in den Schulen verboten hatte, brachte sogar 2,1 Millionen Reaktionen.

Alles populäre Fake News. So wie der Aufruf des IS an muslimische Amerikaner, Clinton zu wählen. Oder dass die Demokraten 3500 Dollar zahlen, damit man gegen Trump protestiert. Das Ganze war großes Thema im US-Wahlkampf: Die stärksten Fakes hatten mehr Facebook-Präsenz als die echten News. Mittlerweile parodieren schon Linke mit Fake News die Fake News der Rechten (thelastlineofdefense.org).

Facebook hat daher in der vergangenen Woche begonnen, Fake News zu kennzeichnen. Das erhöht die Transparenz, ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken. Aber ist es eine Lösung? Facebook ist bloß eine Plattform, auf der sich Menschen miteinander unterhalten. Es dafür verantwortlich zu machen, dass die User Falschmeldungen erkennen, ist so, als würde man den Wirt verpflichten, eine Glocke zu läuten, wenn am Stammtisch jemand eine Lügengeschichte erzählt.

Wichtiger wäre es, den Menschen zu helfen, selbst unterscheiden zu können. Das aber ist sehr viel schwieriger. Etwa wegen des Confirmation Bias: Menschen glauben jene Nachrichten eher, die ihre Vorurteile bestätigen. Je stärker das Vorurteil, desto größer die Vertrauensseligkeit. Die, die sich am bereitwilligsten reinlegen lassen, müssten also am meisten aufpassen. Das wird nicht passieren.

Und dann wäre es natürlich gut, nur vertrauenswürdigen Quellen zu trauen. Die Sozialwissenschaft hat aber festgestellt, dass die meisten Medienkonsumenten den Medien generell kein oder wenig Vertrauen entgegenbringen. Sie folgen daher einem Urinstinkt: Sie vertrauen nur ihren Freunden. Was sie posten, wird schon stimmen. Egal, von welcher Quelle es kommt.

Das eigentliche Problem einer desinformierten Gesellschaft sind nicht die leicht falsifizierbaren Fakes. Sondern die verstümmelten, ideologisch gewichteten, „echten“ Nachrichten. Und das, was nicht berichtet wird. Da ist Facebook machtlos. Hier hilft nur Aufmerksamkeit, ein anhand von seriösen Medien geschultes Qualitätsbewusstsein und eigener Faktencheck. Ziemlich aufwendig – und sicher keine populäre Komplexitätsreduktion.

Wirklich gut informiert zu sein war und ist eben eine ziemlich elitäre Sache. Das ist ein altes Dilemma für die Demokratie, an dem auch Fake-News-Warnstempel nichts ändern.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2017)

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