Der Gott der Geschenke

Weihnachten ist ein Kulturkampf, und Weihnachtsmann und Christkind stehen in der Arena. Dabei kommt es doch auf die Präsente an!

Typischerweise setzt der Culture Clash in einer Ehe beim ersten gemeinsamen Weihnachten ein. Allein die Frage des Baumschmucks ist ein Indikator für die Scheidungswahrscheinlichkeit, und bei der Backware können schon feinste Abweichungen zum mütterlichen Herd Zweifel auslösen (zumal bei Männern), ob man bei der Partnerwahl wirklich einen so guten Griff getan hat.

Gerade der religiöse Mensch liebt es, für sein Brauchtum zu kämpfen, meint der Satiriker Henning Venske (und fügt hinzu: „Aber er hasst es, nach dessen ursprünglichem Sinngehalt zu leben“). Weihnachten, indeed. Ich denke dabei etwa an den hiesigen Brauch, für das Christkind zu kämpfen und den Weihnachtsmann geradezu mit Knoblauch und Weihwasser auf Distanz zu halten.

Dem widmen sich auch dem „ursprünglichen Sinngehalt“ noch nahe Katholiken. Und das, wo doch der hl. Nikolaus früher in katholischen Ländern die Geschenke gebracht hat, bis Luther in Ablehnung der katholischen Heiligenverehrung das Christkind forciert hat. Dann hat sich aber im eher protestantischen Amerika der zum Weihnachtsmann verfettete Nikolaus durchgesetzt – dem sich jetzt hier die Katholiken entgegenstellen, um das lutherische Christkind zu verteidigen. Das nenne ich praktische Ökumene. Dabei ist das ja eher dem Chor der Engel als der Krippe entstammende Christkind längst genauso eine Brauchtumsfigur wie der Weihnachtsmann. Schon 1912 begegneten bei „Peterchens Mondfahrt“ die Protagonisten auf dem Mond dem Pfefferkuchenmann, dem Weihnachtsmann, dem Christkind und dem Osterhasen.

Sicher, das Christkind ist nett. Aber Nettigkeit ist keine religiöse Kategorie. Viel mehr in den „ursprünglichen Sinngehalt“ scheint mir ein anderes weihnachtliches Brauchtum zu weisen: die Geschenke. Das, was da so putzig im Krippenspiel herüberkommt, die Menschwerdung Gottes, ist gewaltig: Das bzw. der Allerhöchste, Allumfassende wird einer von uns, ganz und gar. Mit einer größeren, tieferen Liebeserklärung Gottes an uns kann keine Religion aufwarten. Diese Affirmierung unseres Angenommenseins geben wir wieder, wenn wir, ungelenk wie die Anfänger, einander beschenken.

Es kommt also weniger darauf an, wer die Geschenke bringt, sondern, dass sie daliegen. Schal bleiben sie nur, wenn das schon alles ist – so wie beim Kater Garfield, der am 23. dauernd „Gimme! Gimme!“ sagt und dann den Betrachter aufklärt: „I'm already in the Christmas mood!“ Mein Beichtvater hat das einmal ganz kurz so ausgedrückt: Liebst du die Geschenke Gottes – oder den Gott der Geschenke? Das ist die eigentliche Weihnachtsfrage, und an der kiefle ich noch.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2011)

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