"Dumme kleine Fragen"

Nachfragen nach einer BBC-Debatte: Auch wenn Dawkins "oh Gott" sagt, ist er Atheist. Aber ist ein Christ, der nicht an Christus glaubt, ein Christ?

Vor fünf Tagen hat der Atheist Richard Dawkins in einem Streitgespräch mit dem anglikanischen Priester Giles Fraser auf Radio4 der BBC über eine Umfrage gesprochen, die untersucht hat, wie christlich die britischen Christen sind. Als Dawkins dazu ausführte, dass „eine erstaunliche Anzahl das erste Buch des Neuen Testaments nicht nennen“ konnte, konterte Fraser, der von „dummen kleinen Fragen, die den Leuten Fallen stellen“ sprach: „Richard, wenn ich dich nach dem vollen Titel vom ,Ursprung der Arten‘ frage, könntest du ihn mir doch sicher nennen?“

Dawkins: „Ja, das könnte ich.”

Fraser: „Na, dann los!”

Dawkins (ich wechsle ins englische Original): „On The Origin of Species... Uh... With... Oh God... On The Origin Of Species. There is a subtitle with respect to the preservation of favoured races in the struggle for life.”

Fraser hatte es dann leicht, den Punkt zu machen: „Wenn man das Leute fragt, die an die Evolution glauben, und nur zwei Prozent wissen es, wäre es doch zu einfach zu behaupten, die Darwinisten glauben gar nicht dran.“ Das war eine elegante rhetorische Riposte des Pastors. Auch das „Oh God“ aus dem Munde eines Atheisten ist ein Spaß, aber mehr auch schon nicht. Darwins Buch heißt „On the Origin of Species by Means of Natural Selection, or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life”. Dawkins war also gar nicht so schlecht. Und in der Umfrage pickten immerhin 35Prozent der Befragten korrekt das Matthäus-Evangelium aus einer Liste heraus. Also auch gar nicht so schlecht.

Die Umfrage hat freilich nicht nur Millionenshow-Quizfragen gestellt, sondern auch nach dem Wesentlichen geforscht. Und zeichnet das bekannte Bild: Nur 44Prozent geben etwa an, dass sie Jesus Christus für den Sohn Gottes, den Erlöser der Welt halten, immerhin das zentrale Glaubensfundament des Christentums. Auf die Frage, was denn für den Befragten der Hauptgrund sei, sich als Christ zu fühlen, antworteten 71Prozent: Weil ich da hineingetauft worden bin, weil meine Eltern Christen waren, oder weil ich in eine christliche Schule gegangen bin. Nur 18Prozent sagen: Weil ich an die Lehren dieser Religion glaube.

Da ist die Frage schon spannend, ab wann ein Christ ein Christ ist. Mit korrekten Buchtiteln hat das sicher wenig zu tun. Wobei ich den Schluss, den Dawkins zieht – „Es zeigt sich, dass die meisten britischen Christen sehr wenig gemeinsam haben mit den christlichen Lobbyisten, die behaupten, in ihrem Namen zu sprechen” –, dann doch wieder für Unsinn halte. Dazu nächsten Sonntag mehr.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2012)

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