Sicherheitsschule der Nation

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Sicherheitsschule Nation(c) APA GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Natürlich: Der Präsenzdienst muss dringend reformiert werden. Die Wehrpflicht aber soll bleiben – denn Gemeinschaft verpflichtet. Von JOHANNA MIKL-LEITNER

Am 20.Jänner geht es um unser Land und um unsere Sicherheit. Aber noch mehr: Die Abstimmung zur Wehrpflicht wird zeigen, wie wir alle zu unserem Österreich stehen. Jedes Jahr leisten mehr als 20.000 junge Männer ihren Präsenz- und rund 13.000 ihren Zivildienst ab. Das ist ihr Dienst an der Gemeinschaft, ihr Bekenntnis zu Österreich und ihr lebendiger Ausdruck dafür, dass Staatsbürgerschaft nicht nur Garantie für vielerlei Rechte, sondern auch das Wahrnehmen von Pflichten beinhaltet. Ja, Österreich verpflichtet.

Wer diese Verpflichtung wahrnimmt, der zeigt: Man kann nicht immer nur nehmen. Man muss auch etwas zurückgeben wollen. Wir alle sind Österreich – und die Präsenz- und Zivildiener beweisen das täglich. Der einsame Verfechter des sogenannten Berufsheers, Verteidigungsminister Norbert Darabos, hat da ein ganz anderes Ideal: Er will, dass die Menschen alles an den Staat abgeben. Jetzt die Verpflichtungen – irgendwann womöglich die Rechte. Und das ist noch viel schlimmer, als dass sich der Minister seine Zahlen schönrechnet. Auch mit trickreichsten Zahlenspielereien lässt sich nicht verbergen, dass ein Berufsheer die teuerste Lösung ist: für das Budget und für die Gemeinschaft.

Natürlich: Der Präsenzdienst muss dringend reformiert werden – das wäre Aufgabe des Ministers gewesen, die er in den letzten Jahren nicht erfüllt hat. Die Monate beim Heer müssen effizienter gemacht, Leerläufe beseitigt werden. Mein Ziel ist, dass das Bundesheer zur Sicherheitsschule der Nation wird, in der junge Menschen ihre Persönlichkeit und Fähigkeiten ausbauen können und Hilfe zur Selbsthilfe lernen. Und: Nach der Grundausbildung sind zusätzliche Ausbildungsangebote zu machen. Die jungen Menschen sollen nach ihren Fähigkeiten eingesetzt werden, denn auch Grundwehrdiener sind „Profis“. Ich denke an den gelernten Zimmerer, der in einem Pionierzug beim Aufbau von Brücken punktgenau eingesetzt werden kann. Oder an den Maturanten einer EDV-HTL, der, richtig eingesetzt, mit topaktuellem Wissen sein Know-how im EDV-Bereich einbringen und weiterentwickeln kann. Anders ausgedrückt: Die Kompetenzen und Fähigkeiten junger Menschen gehören gefordert und gefördert, damit aus der Präsenzdienstzeit ein Mehrwert übrig bleibt.


Mehr Effizienz! Wir brauchen aber auch die gezielte, noch effizientere Ausbildung für den Katastrophenschutz, den unsere Soldaten schon jetzt eindrucks- und hingebungsvoll gewährleisten. Noch besser vorbereitet sein für die dunklen Tage, wenn Lawinen, Murenabgänge und Hochwasser Menschen um ihre Existenz bringen – das ist auch eine großartige Investition in die Zukunft. Wer als Wehrpflichtiger zu helfen gelernt hat, wird das auch sein ganzes Leben lang tun. Und zwar besonders effizient, weil er weiß, was zu tun ist.

Gerade in solchen Ausnahmesituationen lernen die jungen Menschen Dinge kennen, die sie für immer verändern. Was es heißt, sich aufeinander zu verlassen, wie viel Zusammenarbeit in ausweglos scheinenden Momenten bewirken kann, und dass es einen Lohn für Anstrengung gibt, der mehr wiegt als Geld: Dankbarkeit und das gute Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Würde das vom Verteidigungsminister gewünschte Berufsheer kommen, wäre das alles mit einem Schlag weg. Und damit auch mit einem Schlag mehr als 20.000 Präsenzdiener und rund 28.000Milizsoldaten. Dafür wird uns eine „Profimiliz“ angeboten, die erst einmal rekrutiert werden muss. Denn die besteht derzeit nur auf dem Papier. Die Werbekosten dafür würden explodieren, die Rechnung dafür begleicht der Steuerzahler. Und am Ende werden sich nicht genug „Profis“ finden.

Als Innenministerin bewegt mich jedoch freilich auch der zweite Teil des Problems, über das die Österreicher befinden werden: die Abschaffung des Zivildienstes. Denn eines ist natürlich klar: Ohne Wehrdienst gibt es auch keinen Zivildienst. Mehr als 13.000 junge Menschen, die alljährlich in Alten-, Behinderten-, Krankenpflege sowie in Kinder- und Jugendarbeit tätig sind, geben Österreichs Schwächsten, was sie am meisten brauchen: Unterstützung, Hilfe und Menschlichkeit. Viele der Zivildiener haben so ihren Berufsweg entdeckt. Als Ärzte, als Pfleger, als Sanitäter. Und viel mehr von ihnen – 75 Prozent! – fühlen sich den Organisationen, in denen sie tätig gewesen sind, so verbunden, dass sie als ehrenamtliche Mitarbeiter erhalten bleiben. Wir reden so viel von der Suche nach dem Sinn: Dort wird er sehr oft gefunden. Und das alles soll fallen?

Wir wissen, dass wir ohne die Leistung unserer Zivildiener die soziale Infrastruktur in unserem Land gar nicht aufrechterhalten können. Deshalb soll es hoch bezahlte „Freiwillige“ geben, die diese klaffende Lücke schließen?

Nein. Denn erstens: Man kann mit Geld nicht alles kaufen. Schon gar nicht Mitmenschlichkeit und Gemeinschaftssinn. Und zweitens: Dann haben wir in unserem Land eine Zwei-Klassen-Gesellschaft von hoch bezahlten und von unbezahlten Freiwilligen. Drei Millionen Menschen engagieren sich ehrenamtlich – bei der Freiwilligen Feuerwehr, der Nachbarschaftshilfe, der Bergrettung und vielen anderen gemeinwohlorientierten Vereinen. Stellen wir uns nur einen Augenblick lang unser Land ohne diese unbezahlte Leistung vor: Österreich würde nicht mehr funktionieren. Müssen sie sich nicht verhöhnt fühlen, wenn der Staat „Freiwilligkeit“ hoch bezahlt, sobald es ihm in den ideologischen Sinn passt?

Unsere Wehrpflicht hat sich seit Jahrzehnten bewährt, das Bundesheer in der Vergangenheit seine Aufgaben für Österreich immer zur Zufriedenheit erfüllt. Für unser Land und seine Menschen. Für unsere Neutralität. Für den Zusammenhalt. Für das Miteinander. Für das Österreich-Gefühl auch der „neuen“ Österreicher. Für Gegenwart und Zukunft. Bleiben wir dabei!

Johanna Mikl-Leitner, ÖVP, ist seit 2011 Bundesministerin für Inneres.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2012)

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