Religionsgerechtigkeit ist doch kein Grund für Feiertage

Arbeit und Muße. Die Erhaltung des Sonntags ist wichtiger als der eine oder andere Feiertag. Manche abzuschaffen wäre wichtiger als neue einzuführen.

Warum sollen denn nicht die Juden und Moslems den einen oder anderen eigenen Feiertag bekommen, wo doch auch die Christen welche haben – noch dazu so viele? So etwa lautet landläufig die volkstümliche Reaktion auf die Forderung der Jüdischen Kultusgemeinde und des Vorsitzenden der Islamischen Glaubensgemeinschaft nach jeweils zwei eigenen Feiertagen für die Anhänger ihrer Religion.

Der sehr plausibel klingenden Vorstellung liegt aber ein Missverständnis zugrunde. Es gibt keine exklusiven Feiertage für die Christen. Der Staat kennt keine kirchlichen Feiertage. Im Paragraf 7 des Arbeitsruhegesetzes ist nur von arbeitsfreien Tagen die Rede, ohne nähere Bestimmung ihrer allenfalls religiösen Herkunft oder sonstigen Bedeutung. Fronleichnam rangiert für den Staat auf gleicher Stufe mit dem 1. Mai – um zwei Tage mit bekannten Aufmärschen – einem religiösen und einem pseudoreligiösen – zu nennen. In den Genuss dieser Feiertage kommen alle in Österreich beschäftigten Menschen. Was sie damit machen, ob sie sie religiös begehen oder nicht, spielt keine Rolle.

Und die Orthodoxen. . .?

Nur zwei Religionsgemeinschaften, die Protestanten und die Juden, haben spezifisch religiöse Feiertage, die ausschließlich ihren Anhängern zustehen: Nach dem Protestantengesetz können Protestanten und Reformierte am Karfreitag freibekommen, wenn sie das mindestens eine Woche vorher beim Dienstgeber beantragen. Für Juden gilt nach dem Generalkollektivvertrag für den Versöhnungstag (Jom Kippur) dieselbe Regelung.

Sollten auch andere Religionsgemeinschaften den Anspruch auf eine entsprechende Regelung für sich erheben, wäre wohl eine Kompensation der jeweils gewünschten zwei Tage durch Arbeit an anderen gesetzlich geltenden Feiertagen unausweichlich.

Andernfalls müssten Katholiken zwei (Protestanten und Juden einen) weitere religiöse Festtage bekommen, denn sonst würden sie arbeitsrechtlich benachteiligt sein. Die Vorstellung ist nicht ohne Reiz, dass in einem solchen Fall die Gewerkschaft deren arbeitszeitrechtliche Gleichstellung allenfalls beim Verfassungsgerichtshof erkämpfen müsste.

Nicht berücksichtigt ist in diesen Überlegungen außerdem die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in Österreich, die Orthodoxen, die zwar durch die Feiertage aus christlicher Tradition gewissermaßen „abgedeckt“ sind, diese Feste aber häufig an anderen Tagen feiern als die Katholiken und Protestanten.

Es mag natürlich reizvoll erscheinen, die „Buntheit“ der religiösen Landschaft in Österreich durch eine Vielzahl von eigenen Feiertagen abzubilden. Bei 14 anerkannten Religionsgemeinschaften wären es minus Katholiken und Protestanten 22 verschiedene Tage, die neben den allgemein geltenden Feiertagen anfallen würden.

Schlachtung heiliger Kühe

Wie das praktisch in den vielen kleinen Betrieben zu handhaben wäre, lässt sich schwer denken. Wahrscheinlich muss man sich das als eine Art 8. Dezember zum Quadrat vorstellen. Der Respekt vor den Religionen, den die Christen neuerdings übrigens am wenigsten von allen bekommen, muss sich anders realisieren als durch eigene Feiertage.

Statt neue Feiertage einzuführen, wäre es ein durchaus diskutables sozialpolitisches und wirtschaftliches Anliegen, welche abzuschaffen. Zu Recht im Visier haben die Vertreter der Wirtschaft die Feiertage am Donnerstag – das sind jedenfalls zwei „kirchliche“ (Christi Himmelfahrt und Fronleichnam) und allenfalls alle anderen variablen, die nicht fix am Sonntag sind wie Ostern und Pfingsten.

Das wäre freilich die Schlachtung einer heiligen Kuh des Sozialsystems. Die Donnerstag-Feiertage sind bekanntlich besonders geschätzt, weil sie sich mit dem – eine typisch österreichische Wortschöpfung – „Fenstertag“ zum „verlängerten Wochenende“ ausbauen lassen.

Wer Feiertage abschaffen will, muss konkret sagen, welche er meint und das erklären können. „Kirchliche“ allein können es nicht sein. Eine plausible Begründung wäre die Entflechtung der Massierung von Feiertagen etwa in der Weihnachtszeit oder im Mai bzw. Juni. Ein vernünftiger Rhythmus von längeren Arbeitsperioden und Ferienzeiten anstatt der Hektik von allerlei Zwischenferien wäre sowohl ökonomisch wie sozial-menschlich sinnvoll.

Hoteliers als schlechte Ratgeber

Vom üblichen Lamento der Tourismus-Wirtschaft braucht man sich dabei nicht beirren lassen. Mit ihrer Methode, zu Ferienzeiten die Preise hinaufzusetzen, ist sie ein schlechter und verdächtiger Ratgeber in solchen Fragen.

Die Kirche selbst hat die jeweils „zweiten Tage“ nach den Hochfesten Weihnachten, Ostern und Pfingsten zur Disposition gestellt. Eine realistische Liste von abzuschaffenden Feiertagen könnte so aussehen: 6. Jänner. Der Tag dient nur dazu, einen Endpunkt für die ohnehin viel zu langen Weihnachtsferien zu setzen. Wenn er auf einen Freitag fällt, verlängert er diese Ferien sogar noch einmal um zwei Tage. Christi Himmelfahrt: Auch in Italien gibt's diesen Tag nicht als Feiertag. Die Katholiken feiern ihn dort am Sonntag.

26. Oktober: Wandern kann man auch an jedem anderen schönen Wochenende im Herbst. Der Abzug des letzten sowjetischen Soldaten aus Österreich, der einmal volkstümlich als Grund für diesen Tag ausgegeben wurde, ist heute nicht mehr erinnerungswürdig. Aber ist nicht die Neutralität der eigentliche Sinn des Festes?

Sie ist zwar als Verfassungsgesetz verankert, faktisch aber längst bedeutungslos geworden. Sie zu einer Art Staatsideologie zu stilisieren und ihr einen eigenen Feiertag zu widmen, ist absurd.

Schließlich der 8. Dezember: Der Tag ist als Feiertag völlig ausgehöhlt, auch die Kirche kann mit der jetzigen Form eines halben und halbherzigen Festtages keine Freude haben.

„Soziale Errungenschaft“

Überflüssig geworden sind auch die Feiertage der Landesheiligen, die nur einer einzigen Berufsgruppe, den Lehrern, zugutekommen.

Jedenfalls kann die Kirche die Debatte um die Feiertage gelassen betrachten. Sie sollte sich viel eher um die Erhaltung des Sonntags als eines zumindest für die Mehrheit gemeinsamen Ruhetags sorgen. Die Einteilung der Zeit in eine Woche mit einem regelmäßig wiederkehrenden Tag der Ruhe und – nota bene – des Gottesdienstes ist eine große kulturelle Leistung, die das Judentum und nach ihm das Christentum der Welt gegeben haben. Weder die europäische Antike noch die außereuropäischen Hochkulturen kannten das.

Die Kirche muss den Sonntag nicht als „soziale Errungenschaft“ verteidigen, das tun schon die Gewerkschaften. Er wird aber auch als solche verschwinden, wenn er nicht in seiner umfassenden menschlichen Bedeutung erkannt wird. Und darum sollte es gehen: um die Bewahrung einer gemeinschaftlichen Kultur der Abwechslung von Arbeit und Muße, von Anstrengung und Loslassen, die Ermöglichung von Einkehr und Besinnung. Das ist viel wichtiger als der eine oder andere Feiertag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2013)

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