Clinton versus Trump: Die USA ohne Alternative

Kampf ums Weiße Haus. Der Erfolg des republikanischen Außenseiters lässt sich auch als Symptom für Obamas Misserfolge interpretieren.

Es war im April 2011. Das alljährliche glanzvolle Dinner der White House Correspondents' Association im Washington Hilton Hotel. Ein Anlass, zu dem sich alle versammeln, die in den USA in Politik und Medien etwas zu sagen haben oder wichtig genommen werden wollen. Donald Trump hatte eine prominente Journalistin als Sitznachbarin. In seiner als launig ausgegebenen Rede verspottete Präsident Barack Obama den Gast aus New York für dessen schlechten Geschmack bei der Einrichtung von Wohnungen und machte Trumps Reality-Show „The Celebrity Apprentice“ lächerlich.

Dieser war nach dem Bericht eines Augenzeugen „unglaublich charmant“ zu dem Anlass gekommen. Zu den ersten Witzchen des Präsidenten lächelte er noch und machte eine Geste wie um abzuwinken. Als aber der Präsident in derselben Tonart fortfuhr und alle Köpfe begannen, sich Trump zuzuwenden, um zu sehen, wie er reagierte, erstarrte seine Miene. Als das Dinner zu Ende war, verließ er sofort die Szene, sichtlich verletzt.

Der Vorfall mag manches erklären, was wir in diesem bizarren US-Präsidentschaftswahlkampf erleben. Die öffentliche Demütigung – noch dazu durch den Präsidenten selbst – schreckte Trump nicht ab, sondern bestärkte in ihm nur die Entschlossenheit, sich in der politischen Welt Geltung zu verschaffen. Das treibt auch seine Kampagne als Präsidentschaftskandidat an: Hinter dem Großtuertum und dem krachenden Auftreten steckt ein tiefes Bedürfnis, ernst genommen zu werden.

Die Rede beim Dinner sagt auch etwas über Obama. Seine Arroganz sowie die Überzeugung aller Linken von ihrer eigentlichen moralischen Überlegenheit und die Verachtung gegenüber politischen Gegnern haben entscheidend beigetragen zur Verhärtung der Auseinandersetzungen – bis zur Lähmung der Politik in den USA.

Auch in den USA würde kaum jemand bestreiten, dass die amerikanische Nation als Gesellschaft heute schmerzvoller gespalten ist als beim Amtsantritt des jetzigen Präsidenten vor sieben Jahren. Obama hat diese Spaltung, die unter seinem Vorgänger begonnen hatte, nicht, wie er versprach, überwunden, sondern noch verstärkt.

Trump zog aus dem Erlebnis beim Mediendinner seine Konsequenzen. Im Gegensatz zum Image des Nichtpolitikers, das er vor sich herträgt, begann er sehr konsequent seinen Weg in den Kern des republikanischen Establishments zu planen. Er sprach bei Parteiveranstaltungen, wo man ihn zunächst für einen unterhaltsamen Pausenfüller hielt, und mischte sich unter die großen Spender für die Partei. Diese glaubte, ihn auf Distanz halten zu können, wenn sie seine Eitelkeit befriedigte, während sie ihm sein Geld abnahm. Er aber bemerkte, dass man ihn nur „ernst nehmen wird, wenn ich wirklich kandidiere“.

Donald Trumps Botschaft

Zugleich mit dem langen Weg durch die Institutionen der Grand Old Party bastelte Trump an so etwas wie einem politischen Programm, oder besser einer Botschaft: Amerikas Wirtschaft ist im Niedergang. Darunter leiden der Mittelstand und die Arbeiter, deren Jobs durch die Globalisierung in die billige Nachbarschaft, namentlich nach Mexiko, abgewandert sind. In dieser Analyse trifft sich Trump übrigens mit dem Extrem auf der anderen Seite des politischen Spektrums, Bernie Sanders, aber auch mit linken Ökonomen wie Paul Krugman. Dessen Antwort ist ein gemäßigter Protektionismus, vor allem aber empfiehlt er ein europäisches Sozialstaatsmodell, das für Trump überhaupt nicht infrage kommt.

Trump freilich verkündet einen rabiaten Patriotismus mit dem Versprechen, Amerika „wieder groß zu machen“ in der Welt, von der er wenig Ahnung zu haben scheint.

Genährt wird das alles von einer tiefen Abneigung gegen das ineffektive und selbstreferenzielle Establishment in Washington aus Politikern, Beratern, Lobbyisten und Meinungsmachern, das vom Durchschnittsamerikaner und seinen Sorgen unendlich weit entfernt zu sein scheint. Dass er selbst in einer Welt aus Luxus und Glamour lebt, stört Trumps Anhänger anscheinend nicht. Aber das ist bei allen Volkstribunen so.

Man kann den Erfolg Trumps auch als Symptom für Obamas Misserfolge deuten. Dass Trump überhaupt ein ernst zu nehmender Präsidentschaftskandidat geworden ist, hat auch mit Obamas politischer Bilanz zu tun. Nur wenige US-Bürger der ominösen „Mittelklasse“ – darunter versteht man in den USA eigentlich alle arbeitenden Menschen mit einem nicht zu hohen Einkommen – würden die berühmte Frage „Geht es dir heute besser als vor vier oder acht Jahren?“ mit Ja beantworten.

Republikaner in Geiselhaft

Vor allem aber ist Trump das Produkt des Versagens seiner eigenen Partei, dem abgehobenen Obama etwas anderes entgegenzusetzen als ein Programm weiterer Steuerkürzungen für die obersten Einkommen. Dabei haben die Republikaner eine breite Anhängerschaft im einfachen Mittelstand, die die Partei aber im Stich ließ, bis sie nun in Scharen zu Trump überlief. Zuerst ließ sich die Partei von der religiösen Rechten in Geiselhaft nehmen, dann lieferte sie sich den großen Geldgebern aus.

Symptomatisch für die tiefe ideologische Kluft, die die USA durchzieht, ist eine Auseinandersetzung, die im Schatten des Präsidentschaftswahlkampfs stattfindet. Sie ist womöglich von größerer Langzeitwirkung für das Land als die Wahl eines Präsidenten für die nächsten vier Jahre. Nach dem Tod des Höchstrichters Antonin Scalia ist dessen Posten am Obersten Gerichtshof zu besetzen. Die Republikaner laufen Sturm dagegen, dass die Besetzung noch während das Wahlkampfs stattfindet.

Scalia stand für eine rechtspolitische Position, die man in den USA „Originalismus“ nennt. Die Interpretation der Verfassung müsse sich am wörtlichen Text orientieren und ihn auf die heutige Situation in einem konkreten Fall anwenden, dürfe aber nicht der Verfassung aktuelle politische Ideen und Vorhaben gewissermaßen unterschieben und sie danach auslegen.

Keine berauschende Aussicht

Obama dagegen hat einmal von Richtern „Empathie“ für bestimmte Personen oder Gruppen gefordert. Republikanische Juristen wiederum beharren darauf, dass die Richter „ohne Ansehen der Person“ zu entscheiden hätten, wie sie es in ihrem Amtseid schwören.

Dabei geht es keineswegs um eine juristische Spitzfindigkeit, sondern darum, ob die Justiz dazu da ist, eine bestimmte gesellschaftspolitische Agenda zu verwirklichen, wie es Obamas Überzeugung und unter seiner Präsidentschaft Übung geworden ist.

Noch zu Beginn des Vorwahlkampfs konnte man ohne großes Risiko vorhersagen, dass der nächste Präsident der Vereinigten Staaten Hillary Clinton sein wird. Da erschien Donald Trump noch als eine vorübergehende Erscheinung, wie auch Bernie Sanders bei den Demokraten.

Wenig überraschend erwies sich Clinton im Laufe der letzten Wochen keineswegs als Siegertyp – wie schon vor acht Jahren. Dennoch wird man an der Vorhersage festhalten können, dass sie letztendlich das Rennen machen wird. Die Wahl zwischen Trump und Clinton bietet aber keine berauschenden Aussichten für die USA.

Email an: Debatte@diepresse.com

Der Autor

Hans Winkler war langjähriger Leiter der Wiener Redaktion der „Kleinen Zeitung“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2016)

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