Die Ökonomie des Papstes und ihre Anhänger

Kritik am Linkskatholizismus. Neukatholische Wirtschaftsideologie hat erschreckend viel Ähnlichkeit mit altsozialistischem Denken.

Der Marxismus hat es geschafft, die ganz normalen Funktionen der Wirtschaft zu dämonisieren: Markt, freie Wirtschaft, Unternehmertum, Gewinn und Erfolg, all das wurde mit ideologischem Verdacht belegt, mit dem Schlagwort ,Kapitalismus‘ negativ besetzt. Das war propagandistisch ein hervorragender Erfolg. In Wirklichkeit handelt es sich hier um die ganz normalen Grundvollzüge des wirtschaftlichen Lebens einer menschlichen Gesellschaft.“

„Auch vonseiten der Kirche besteht eine gewisse Gefahr, diese Grundvollzüge mit dem Verdacht des Unsozialen oder Unmoralischen zu bedenken. Ohne Freiheit des Marktes, ohne eine gewisse Gewinnorientierung und ein Erfolgsinteresse kann keine Wirtschaft im Kleinen und Großen gedeihen [. . .] Nicht der Markt ist böse, nicht die freie Wirtschaft mit ihrem Spiel von Angebot und Nachfrage. Böse kann nur deren Missbrauch sein, der durch die menschliche Freiheit getrieben wird.“

Erraten Sie, wer diese Sätze gesagt hat? Auf Margaret Thatcher zu tippen, wäre falsch. Sie stammen von Christoph Schönborn, dem Erzbischof von Wien. Er hat sie bei einem Vortrag im Wiener Gewerbeverein gesagt. Das war allerdings noch zu Zeiten von Papst Benedikt XVI. Sie stehen in einigem Kontrast zur modischen Kritik an der Marktwirtschaft, die unter dessen Nachfolger in der Kirche eingekehrt ist und die viele Anhänger auch in Österreich gefunden hat.

Dass ausgerechnet in manchen kirchlichen Kreisen eine Feindschaft gegenüber der Marktwirtschaft grassiert, ist geradezu atavistisch, denn die Kirche hat mit der Marktwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten sehr gut gelebt, und es gibt Unternehmen in kirchlicher Eigentümerschaft (auch eine Bank war bis vor Kurzem darunter), die außerordentlich erfolgreich auf dem Markt agieren, was sich als der Botschaft der Kirche keineswegs abträglich erwiesen hat.

Noch stärker als Franziskus' erstes Lehrschreiben „Evangelii gaudium“ mit dem ominösen Satz von „dieser Wirtschaft, die tötet“, ist das zweite „Laudato si“ von Unkenntnis und Voreingenommenheit gegenüber der Marktwirtschaft geprägt.

Vor einigen Tagen hat der Papst gegen das Privateigentum gepredigt und die Güterteilung unter den frühen Christen als Vorbild für die heutige Welt propagiert. Abgesehen davon, dass die frühen Christen unter der Erwartung der nahe bevorstehenden Wiederkunft des Herrn gelebt haben, eignet sich eine arbeitslose (das ist nämlich die Folge davon) Verteilungswirtschaft nicht als Modell für das Wirtschaftsleben einer hochkomplexen arbeitsteiligen Wirtschaft von Industrieländern.

Wie üblich durfte bei der Morgenpredigt auch die Polemik gegen das „Geld als Egoist“ nicht fehlen. Wie der Vatikan selbst oder die großen kirchlichen Hilfswerke ohne das viele Geld funktionieren sollen, das die deutschen Katholiken sammeln und brav abliefern, wird uns nicht gesagt. Aber den Wert des Geldes lernt die Kirche ohnehin wieder kennen, wenn sie zunehmend weniger davon hat.

Die Wirtschaft habe sich dem „effizienzorientierten Paradigma“ unterworfen, klagt der Papst. Was aber soll die Wirtschaft sonst, als effizient sein? Wie eine ineffiziente Wirtschaft funktioniert, konnte man in kommunistischen und kann man noch heute in vielen, auch lateinamerikanischen, Ländern besichtigen. Sie hat genau jene Armut und Rückständigkeit hervorgerufen, die der Papst beklagt.

„Reichenbekämpfung“

Franziskus hält „die Stunde für gekommen, in einem Teil der Welt eine gewisse Rezession zu akzeptieren, damit anderswo ein gesunder Aufschwung stattfinden kann“. Dem liegt die verbreitete Vorstellung zugrunde, die schon Joseph Schumpeter als den größten Irrtum der Sozialisten bezeichnet hat, man mache die Armen reicher, wenn man nur die Reichen ärmer mache. „Reichenbekämpfung statt Armutsbekämpfung“, hat die Agenda Austria ein solches Programm sarkastisch genannt.

Besonderer Beliebtheit in kirchlichen Kreisen erfreut sich die Kritik an der „Wachstumsideologie“. Die Fraktionschefin der Grünen im Deutschen Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, nebenbei auch Präsidentin des Evangelischen Kirchentags, schwärmt davon, die Welt aus der „Zwangsjacke des Wachstums“ zu befreien. Dieser Gedanke hat auch unter Katholiken viele Sympathisanten. Er schlägt allerdings ins Absurde um, wenn in einer Erklärung der Caritas Arbeitslosigkeit als Folge von Wirtschaftswachstum ausgegeben wird.

Wie die vier bis fünf Milliarden Menschen auf der Welt, die in mehr oder minder großer Armut leben, ohne Wirtschaftswachstum aus diesem Dasein befreit werden können, wird uns nicht erklärt. Möchte jemand dem Bauern in Moldova, der mit seiner einzigen Kuh in seinem einzigen Raum lebt, und das Wasser vor dem Haus hat, erklären, jetzt sei aber Schluss mit dem Wachstum?

Die Ideologen einer „Kultur des Weniger“ sagen wohlweislich nicht, wie und wo das „Weniger“ stattfinden soll, wer auf was verzichten soll. Die Politiker und Manager auf Dienstreisen in der Business-Class – selbstverständlich. Aber das bringt nicht viel. Also das einfache Volk auf das Auto, die Fernreise aus dem feuchtkalten Deutschland und Österreich in ein warmes, sonniges Land? Und wer bestimmt, worauf die anderen zu verzichten haben?

Fröhlicher Weg in die Armut

In Österreich tut sich besonders die Katholische Frauenbewegung unter dem Anspruch, der Glaube müsse „politisch“ werden, bei der Kapitalismuskritik ganz besonders hervor. Dabei dürften sich die Funktionärseliten solcher Vereinigungen ziemlich weit von den Interessen und Meinungen ihrer Mitglieder entfernt haben.

Diese neukatholische Wirtschaftsideologie, die erschreckend viel Ähnlichkeit mit einer altsozialistischen hat, ist aufschlussreich zusammengefasst in dem Satz: „Gewinner einer solchen neoliberalen, an Gewinnmaximierung statt Bedarfsdeckung ausgerichteten Grundordnung, die die Kluft zwischen Arm und Reich vorantreibt, sind politisch rechts orientierte Kräfte.“

So etwas zu denken und zu sagen kann man sich nur in einem Land leisten, in dem es genug Unternehmer und Unternehmen gibt, die Gewinne machen und Steuern zahlen, die die Führung der Frauenbewegung großzügig umverteilen möchte. Dass ihnen dann nur noch wenig Geld für Investitionen bleibt, geniert die KFBÖ nicht beim fröhlichen Weg in die allgemeine Armut. Fast unerschöpflich ist die Fantasie der Vorsitzenden der Katholischen Frauenbewegung bei der Erfindung neuer Steuern und Abgaben im Land mit der vierthöchsten Besteuerungsrate auf der Welt.

Ehrenrettung für den Papst

Zweifellos originell ist der Gedanke, die Lösung des Flüchtlingsproblems werde nur durch „eine falsche Verteilungspolitik zwischen Arm und Reich“ behindert. Er wird sicher bei den Mitgliedern der SPÖ-Sektion 8 in Wien auf Zustimmung stoßen, bei Frauen auf dem Land in Oberösterreich, wo diese Bewegung besonders viele Mitglieder hat, dürfte er eher Kopfschütteln hervorrufen.

Hier ist allerdings eine Ehrenrettung für Papst Franziskus angebracht: Auf dergleichen ist er nicht gekommen.

DER AUTOR

Hans Winkler war langjähriger
Leiter der Wiener Redaktion der
„Kleinen Zeitung“.

Debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2016)

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