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Der Weltuntergang kommt schon noch früh genug

Die katholische Kirche lässt sich die Umweltideologie aufschwatzen. Klima-Apokalyptik als neue Religion.

Ein Theologe aus Südtirol möchte den Katholiken das Essen von Schweinernem verbieten. Nicht etwa aus rituellen Gründen wie bei den Moslems, sondern weil das „Schwein sich im Spiegel erkennt und Todesangst entwickelt, wenn es Schweineblut riecht“. Bei Kühen oder Hühnern ist er nicht so sensibel, denen gesteht er nicht eine so hohe „Form der Wahrnehmung des eigenen Lebens und ein Lebensinteresse“ zu. Auch eine Mücke hält er für weniger lebenslustig und schützenswert als etwa einen Delfin.

Wir sollten „über unseren Umgang mit Schweinen diskutieren“ und „grundsätzlich den Konsum tierischer Produkte überdenken“, fordert der Moralist aus Brixen. Eine eindeutige Empfehlung für eine vegetarische oder vegane Lebensweise kommt beim „Überdenken“ zwar nicht heraus, nur dass man eventuell „weniger, dafür aber hochwertiges Fleisch“ essen soll. Aber was nützt es dem Schwein, wenn es gut gefüttert wird, geschlachtet wird es auf jeden Fall. Es wird auch nicht lieber sterben, weil es (ohnehin wieder nur für den Menschen) gut ernährt worden ist.

Die Denkwelt des Südtirolers mag einem ziemlich verkrampft vorkommen, dergleichen ist aber große Mode in der Kirche. Man hat das alles längst schon anderswo gelesen, warum es jetzt ausgerechnet von Kirchenmännern als so dringend erachtet wird, ist schwer zu verstehen. In diesem Sommer hat es kaum eine katholische Tagung gegeben, bei der es nicht um den Umweltschutz, das Klima oder wie in unserem Fall um Tierethik gegangen ist. Letztere ist auf den katholischen theologischen Fakultäten neuerdings sehr in Mode. Es ist ja auch wirklich das Wichtigste, was angehende Theologen, vor allem die wenigen Priesteramtskandidaten, lernen müssen.

Der bayerische Benediktinerpater Andreas Schmidt, Wirtschaftsverwalter der bayerischen Abtei Plankstetten, die bekannt ist für ihr ökologisches Wirtschaften, forderte ein deutlich größeres Engagement der Kirche für den Umweltschutz, etwa auch bei der Wahl eines Autos. Die Kirche habe bei diesem Thema nichts zu verlieren, „da kann sie nur an Authentizität gewinnen“. Schmidt versteht nicht, warum „unsere Kirchenoberen da nicht mehr Druck machen, auch politisch“.

Mit mehr Einsatz für den Umweltschutz könne die Kirche Anschluss an eine „grüne Klientel“ finden, meint Schmidt. Die Mission der Kirche sieht Pater Schmidt offensichtlich in einer Art Stimmenmaximierung nach dem Muster politischer Parteien, bei der man sein Programm vermuteten „Klientelen“ anpasst. Der Pater fragt sich auch „wo in der Heiligen Schrift steht, dass kirchliche Würdenträger große und teure Autos fahren sollen“. Ein solcher Satz ist ungefähr so töricht wie der eines anderen Theologen, Jesus hätte ein Smartphone besessen und Selfies versandt.

In manchen Kirchen sieht man noch das Holzkreuz der letzten Volksmission vor einigen Jahrzehnten, auf dem die Aufforderung zu lesen steht: „Rette Deine Seele“. Würde es heute noch eine Volksmission geben, müsste auf dem Erinnerungskreuz wohl stehen: „Rette das Klima“, denn es geht heute in der Kirche anscheinend nicht mehr um das ewige Heil des Menschen, sondern um die angebliche Rettung der Erde. Die „Bewahrung der Schöpfung“ gilt nun als der eigentliche und einzige Auftrag des Christentums.

Wo einem Bischof und seiner Diözese die Ideen für eine heutige Pastoral und die Verkündigung des rechten Glauben ausgegangen sind, sind sie umso eifriger um den Umweltschutz bemüht. Man hat zwar keine Neupriester mehr, dafür aber unbedingt einen Umweltschutzbeauftragen, oder besser noch eine Umweltschutzbeauftragte. Die Pfarrer werden nicht dazu angehalten, sich auf die sonntägliche Predigt ordentlich vorzubereiten, sondern weniger Strom zu verbrauchen und Solarpaneele am Pfarrhaus installieren zu lassen.

Pseudoaktion „Autofasten“

Wie sehr der Umweltschutz religiös aufgeladen wird, zeigt auch das „Autofasten“, das die Kirchen in Deutschland und Österreich in der Fastenzeit propagieren. Es fühlen sich davon in beiden Ländern allerdings nur ein paar tausend Leute angesprochen. Offenkundig durchschaut das Publikum, dass es sich dabei um eine wichtigtuerische Pseudoaktion handelt, die schon wegen der kurzen vierzig Tage nichts zu einer reineren Luft beiträgt. Wer trotzdem fährt, muss sich aber als „Umweltsünder“ fühlen. Das gilt als fast so schlimmer Vorwurf wie als „Klimaleugner“ bezeichnet zu werden, was ja die moralische Verwerflichkeit schlechthin ist.

Man muss die Überlegungen des Südtiroler Moralisten über das Schwein und die des bayerischen Benediktiners über das Auto in der Bibel und Jesus' Smartphone als dümmliche Anbiederungen an den Zeitgeist nicht unbedingt sehr ernst nehmen. Bedenklich ist aber die Ahnungslosigkeit, mit der manche in der Kirche sich für eine bestimmte Klima-Ideologie instrumentalisieren lassen. Diese geht von einer Wissenschaft aus, die mit einem dogmatischen Wahrheitsanspruch auftritt und ihre Erkenntnisse als unmittelbar und absolut geltende moralische Imperative ausgibt. Der Kirche hingegen würde man es nie zubilligen, einen solchen Anspruch zu stellen.

Eine der erwähnten Tagungen war die Ökumenische Sommerakademie im Stift Kremsmünster zum Thema „Schöpfungsethik“. Wer geglaubt haben mochte, es gehe in der Kirche um Gott, die Sünde, den Tod und die Ewigkeit, erfuhr dort von der Wiener Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb, dass der eigentliche „Ernstfall des Glaubens“ der Kampf gegen den Klimawandel sei. Sie rief die Kirchen zum intensiven Einsatz für mehr „Klimagerechtigkeit“ auf. Hier schlägt Wissenschaft in eine moralisierende politische Ideologie um.

Alle, die die Kirche neuerdings als oberste Umweltschützerin anpreisen, berufen sich auf Papst Franziskus und seine Enzyklika „Laudato si'“. Sie lesen das Dokument aber nur selektiv. Wo der Papst den üblichen Umweltalarm schlägt, wird er gepriesen und gern zitiert, dass er aber eine weitere Perspektive einer Ökologie des gesamten Lebens hat, zu der etwa auch die Familie gehört, wird nicht gehört.

Die globale Erwärmung ist ein Faktum, das kein vernünftiger Menschen bestreiten wird. Unbestritten ist auch, dass der massive Co?-Ausstoß unserer Technik und Landwirtschaft eine der Hauptursachen dafür ist. Zu bezweifeln ist aber, dass der Klimawandel die einzige und alles andere relativierende Krise unserer Zivilisation ist. Noch weniger sicher ist, dass die derzeitigen globalen Vereinbarungen das bringen werden, was sie versprechen. Sie verdienen es jedenfalls nicht, mit apokalyptischer Rhetorik verteidigt zu werden.

Die Menschheit habe „keinen Mangel an Worst Cases, mit denen sie viel gelassener umgeht als mit dem Klima“, schreibt der US-Klimaforscher Oren Cass, „von einer globalen Pandemie bis zum Zusammenbruch des Finanzsystems und jeder Menge militärischer Konflikte“. Die Kirche sollte vorsichtig sein, sich für die apokalyptischen Szenarien anderer instrumentalisieren zu lassen und sie mit dem Mantel des Glaubens zu umhüllen. Der Weltuntergang kommt noch früh genug.

DER AUTOR

Hans Winkler war langjähriger Leiter der Wiener Redaktion der „Kleinen Zeitung“.

Debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2017)

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