„Neger“, „Zigeuner“, „Mongolismus“

Wie sich Wörterbücher beim Umgang mit diskriminierenden Begriffen schwertun.

Vor zwanzig Jahren wurde ich auf einer Geburtstagsfeier in Wien Zeuge, wie einer der Gäste, ein Emigrant aus Ghana, von seiner Gesprächspartnerin gefragt wurde: „Wie ist das eigentlich so, als Neger in Wien zu leben?“ Der Afrikaner war entsetzt über ihre Wortwahl, und es kostete die anderen in der Runde einige Mühe, ihn davon zu überzeugen, dass die gute Frau das Wort „Neger“ nicht aus rassistischen Motiven verwendet hatte, sondern aus Unbedarftheit.

Einer solchen Unwissenheit entgegenzuwirken ist eine der vornehmsten, aber auch schwierigsten Aufgaben eines Wörterbuchs. Wie löst man so etwas? Der Duden vermerkt unter dem Stichwort „Neger“: „Viele Menschen empfinden die Bezeichnung heute als diskriminierend.“ Auch das „Österreichische Wörterbuch“ (ÖWB) versieht den Begriff mit der Bewertung „oft diskriminierend“. Die Frau auf der Party hätte also in beiden Werken Trost finden können. Oft diskriminierend heißt: nicht immer, es muss ja nicht jeder zu den „vielen Menschen“ gehören, von denen der Duden spricht.

Beim Wort „Zigeuner“ schließt der Duden diese Lücke, indem er darauf hinweist, dass der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma den Begriff als diskriminierend ablehnt. Demnach ist es nicht mehr vom Kontext abhängig, ob man das Wort schmäht oder nicht. Die Bezeichneten selbst kommen zu Wort, der Schreiber oder Sprecher hat jetzt die Wahl, ob er diese Menschen kränken will oder nicht. Das ÖWB hingegen versieht das Wort „Zigeunerin“ mit dem Hinweis: „oft als abwertend und diskriminierend empfunden“. Empfunden von wem? Nur von den Empfindsamen?


Noch verwirrender liegen die Dinge beim Begriff „Mongolismus“. Das ÖWB bezeichnet ihn als „veraltet“, was am Kern vorbeizielt. Denn das Wort ist nicht einfach aus der Mode gekommen, wie etwa der „Oheim“ – es ist heikel, weil es von den Bewohnern eines Landes, der Mongolei, als diskriminierend empfunden wird. Unter der politisch korrekten Bezeichnung „Downsyndrom“ vermerkt das ÖWB: „eine Erbkrankheit“. Was schlicht falsch ist. Ein Mensch mit Downsyndrom ist nicht krank, er ist behindert; er braucht Förderung, keine Medizin.

Monströs daneben lag hier noch 1997 das „Deutsche Wörterbuch“ von Gerhard Wahrig. Es führte den „Mongolismus“ als neutralen medizinischen Terminus an und definierte ihn so: „angeborene, mit körperlichen Missbildungen verbundene Abart des Schwachsinns mit Schlitzaugenbildung und Abplattung der Nasenwurzel“. In den späteren Auflagen hat der „Wahrig“ diesen Passus getilgt und den Begriff 2006 zunächst als „veraltet“ und 2011 schließlich als „veraltet und abwertend“ eingestuft.

Ein Wörterbuch, das sich zu spät verjüngt, läuft selbst Gefahr, „veraltet und abwertend“ zu sein.

dietmar.krug@diepresse.com diepresse.com/diesedeutschen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2012)

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