Arschkarte

Wer die »Arschkarte« zieht, hat nichts zu lachen. Wer das »Bummerl« erwischt, kann wenigstens noch weinselig singen.

Wenn jemand im Deutschen ins Umgangssprachliche verfällt, dann landet er erstaunlich oft in der Bildsprache des Analen. Unter dem Stichwort „Arsch“ listet der Redensarten-Duden seitenweise Belege auf. Eine der kuriosesten Wendungen ist „die Arschkarte ziehen“, was so viel bedeutet wie: der Benachteiligte sein, den Schaden davontragen. Worin besteht nun der Zusammenhang von Schicksal und Sitzfleisch? Eine gern bemühte Erklärung führt in die Welt des Fußballs. Der Schiedsrichter habe entweder die Gelbe Karte aus der Brusttasche oder die Rote aus der Gesäßtasche gezogen, um im Zeitalter des Schwarz-Weiß-Fernsehens dem Zuseher zu signalisieren, ob der Spieler nur verwarnt oder gar verwiesen wird. Robert Sedlaczek, Kolumnist der „Wiener Zeitung“, hat diese Erklärung nach einem Gespräch mit einem Schiedsrichter bezweifelt. Zu Recht, denke ich, denn allein schon der Bildgehalt passt nicht. In der Redensart zieht doch der Betroffene selbst seine Analkarte, er bekommt sie nicht von einer höheren Instanz gezückt und gezeigt.

Plausibler erscheint mir eine Herkunft aus der Sphäre der Spielkarten. Wer die Arschkarte zieht, hat den Schwarzen Peter erwischt (den man allerdings eher jemandem zuschiebt, listig oder tückisch, darum klingt er auch nicht so offen derb). Mit der Arschkarte hat man das miese Blatt mit eigener Hand gezogen, man ist am Arsch, kriegt denselben nicht mehr hoch, auch wenn man ihn sich noch so aufreißt, alles ist für Arsch und Friedrich.


Auch im Wienerischen gibt es den redensartlichen Zusammenhang zwischen der Verliererstraße und dem Pech beim Kartenspiel. „Einer hat immer das Bummerl“, heißt es im Lied. Also wenn ich rein klanglich die Wahl hätte zwischen so einem Bummerl mit seinem runden, weichen Klang und der Arschkarte mit ihren harten Konsonanten, die zum Rollen und Zischen geradezu einladen, dann müsste ich nicht lange überlegen. Das Bummerl ist der fette Minuspunkt, den man sich beim Schnapsen einhandelt, es ist sprachlich mit dem Pummelchen verwandt, da hat man etwas Weiches, Knuddeliges in der Hand. Ach, die Welt ist voller Bummerln, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis man selbst so ein pummeliges Ding in Händen hat. Und wenn es dann so weit ist, bleibt einem immer noch die Sentimentalität des Wienerlieds.

Offenbar gehen Deutsche und Österreicher anders mit den Unbilden des Lebens um. Der Wiener identifiziert sich mit seinem Bummerl, laut „Österreichischem Wörterbuch“ kann man ein Bummerl nicht nur haben, man kann auch eines sein.

Zur Arschkarte indes kann niemand werden, die kann man nur ziehen. Wer sie hat, ist ein Kandidat für Spott und Herablassung, aber nie ein Fall fürs Hoffnungslos-Sentimentale.

dietmar.krug@diepresse.com 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2013)

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