"Wir sind Papst!"

Warum ist die "Kronen Zeitung" so viel erfolgreicher als die deutsche "Bild"? Weil sie niemals "Wir sind Papst!" getitelt hätte.

Als die Welt auf weißen Rauch in Rom wartete, hatte ich eine Vision. Ich habe mir vorgestellt, Kardinal Schönborn wäre der Auserwählte. Wie hätte wohl die „Kronen Zeitung“ auf den Karrieresprungihres regelmäßigen Autors reagiert? Ich fürchte, die Mischung aus frommer Inbrunst und patriotischem Pathos, die dann gedroht hätte, übersteigt mein Vorstellungsvermögen. „Wir sind Papst!“ wäre wohl kaum die Schlagzeile gewesen. Nicht nur, weil das Copyright der deutschen „Bild“-Zeitung gebührt, sondern auch, weil der „Krone“ jede Art von Selbstironie fremd ist. Die Österreicher mögen ihren Boulevard gern bieder, im Einklang mit sich selbst.

„Wir sind Papst!“ – Sonst eher selten zum subtilen Humor neigend, ist der „Bild“ hier ein Schmankerl geglückt. Der Ausruf nimmt nicht nur die elitäre Höhe des Amtes auf die Schippe, sondern zugleich den eigenen patriotischen Populismus, jenes wohlige Wir, das für den Boulevard so essenziell ist.

Für dieses Wir hatte niemand einen besseren Riecher als Hans Dichand. Die „Krone“ hat ja, prozentual gesehen, eine Reichweite, von der die „Bild“ nur träumen kann. Dichand ist wie kaum einem anderen Blattmacher ein Meisterstück der Manipulation gelungen, die Gratwanderung, Emotionen seines Leservolkes zu erspüren und sie bei Bedarf auch zu erzeugen.


Die „Krone“ spielt mit der Fähigkeit der Österreicher, Widersprüche wie Mozartkugeln zu verdauen. Im einen Blattteil verfasst der Kardinal seine frommen Betrachtungen, und hinten bieten „naturgeile Girls“ ihre Dienstleistungen an. An den Wochentagen wird gegen Asylanten gehetzt, sonntags blicken hungernde afrikanische Mütter traurig aus den bunten Seiten. Man zeigt rührende Kinderbilder, und Michael Jeannée schwadroniert über einen von der Polizei erschossenen Vierzehnjährigen: „Wer alt genug zum Einbrechen ist, ist auch alt genug zum Sterben.“

Den Anspruch, ein Organ für alle Organe sämtlicher Österreicher sein zu wollen, hat Dichands Rivale Wolfgang Fellner derart plump verinnerlicht, dass er sein Gratisblättchen gleich nach dem Land benannt hat. Trotz dieser patriotischen Geiselhaft ist man sich nicht zu schade, als billiger Abklatsch der deutschen „Bild“ daherzukommen: „Wir sind Oscar“ prangte unlängst auf dem Titelblatt – zur Not geht's auch ohne Ironie.

Es ist doch immer wieder erfrischend zu erfahren, was Politiker so von ihrem Wahlvolk halten. „,Bild‘, ,BamS‘ (,Bild am Sonntag‘) und Glotze“, mehr brauche er nicht zum Regieren, hat der deutsche Ex-Kanzler Schröder einmal gesagt. Sein Amts- und Parteikollege Werner Faymann ist viel zu clever, um so etwas zu äußern. Der klärt die Menschen lieber mit teuren Inseraten auf und lässt sich dafür vom Boulevardkönig als Wahlsohn adoptieren.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2013)

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