Ballermann

Wenn sich der Deutsche einen ballert, bebt die Insel. Und der Spanier holt die Polizei. Ich hab's gewagt, ich war auf Mallorca.

Noch bevor der Winter übergangslos einem verfrühten Sommer Platz gemacht hat, sind wir spontan ins Sonnige aufgebrochen. Mit der Wahl des Zielorts hat es eine seltsame Bewandtnis, ich habe mich dabei ertappt, dass ich auf Fragen, wo's denn hingehen soll, ausweichend geantwortet habe, etwa so: „Irgendwo in den Süden.“ Oder: „Nach Spanien.“ Zwar ist beides nicht gelogen, und doch nur die halbe Wahrheit. Denn wir waren auf Mallorca.

Vorweg sei gesagt: Ihren anrüchigen Ruf hat die prächtige Baleareninsel nun wirklich nicht verdient. Den verdankt sie nicht zuletzt meinen Landsleuten, von denen jährlich rund vier Millionen anreisen. Zwei wenig schmeichelhafte Begriffe haben sich an die Insel geheftet. Der erste ist die „Putzfraueninsel“, der die Gesinnung verrät: egal wohin, Hauptsache, Frau Krethi und Herr Plethi können es sich nicht leisten. Der zweite Begriff ist heikler, und ich gestehe, dass er mich bisher von den Balearen ferngehalten hat: der „Ballermann“.

Ballern kann man mit Fäusten, Fußbällen oder Schusswaffen. Und wenn bei uns im Rheinland jemand ankündigt: „Heut baller ich mir einen“, dann drohen Trunk und Trank in einem Ausmaß, dass der Betreffende am nächsten Morgen glaubt, sein Schädel habe in der Tat Bekanntschaft mit Fäusten, Fußbällen oder Schusswaffen gemacht.


Balnearios. Der „Ballermann“ ist zugleich eine sprachliche Verballhornung des spanischen „Balneario“, dessen deutsche Übersetzung („Heilbad“) nicht der Ironie entbehrt. Denn in solchen Balnearios, kleinen Strandbars, die sich baugleich und durchnummeriert kilometerweit an gewissen Stränden entlangziehen, haben sich Formen deutscher Heil- und Feierkunst entwickelt, gegen die die partymuffligen Spanier inzwischen polizeilich vorgehen. Guillermo Navarro, als Stadtrat von Palma de Mallorca zuständig für Sauberkeit und Sicherheit, beschreibt die Zustände in einem „Spiegel“-Interview: „Es begann vor etwa zwanzig Jahren am Balneario Nr. 6, am sogenannten Ballermann. Damals kauften die jungen Touristen billig Sangria, Wodka, Rum aus dem Supermarkt, mixten das mit Softdrinks und tranken es mit Strohhalmen. Es wurde Kult: Wo der Eimer war, da war die Party. Vor fünf Jahren aber griff diese Mode fast auf die ganze Playa de Palma über, die immerhin sechs Kilometer lang ist.“

Auf die Frage, welche Nationalitäten sich bei diesem Treiben besonders hervorgetan hätten, meinte Señor Navarro: „Ich würde sagen: Österreicher und Deutsche. An dritter Stelle Engländer.“

Ich bin erschüttert. Da dachte ich, dem Land des Ballermanns den Rücken gekehrt zu haben, und was erfahre ich? Die Ösis sind auch nicht besser! Das Gute ist, man kann der Ballerei aus dem Weg gehen. Man muss nur die Orte meiden, an denen der Bär um den Eimer steppt.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2013)

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