Von Graffel, Klumpert und sonstigem Zeug

Von Graffel, Klumpert und sonstigem Zeug oder: Wie Ex-Kanzler Schröder sich mit seinem Gedöns kräftig in die Nesseln setzte.

Ein seltsam zwiespältiges Phänomen ist das Wort „Zeug“. Wenn es als Anhängsel an einem anderen Wort auftaucht, kann es so praktische Dinge wie ein Feuer-, Fahr- oder Werkzeug benennen. Sobald es aber solo ist, läuft es Gefahr, seinen nützlichen Wert einzubüßen. Sprachhistorisch ist das Zeug mit dem Verb „ziehen“ verwandt, einst war es einfach ein „Mittel zum Ziehen“, und daraus leiteten sich später Bedeutungen ab wie: Gerät, Mittel, Stoff, Vorrat.

Diese Aufblähung ins Allgemeine hat dem Wort nicht gutgetan, im 18. Jahrhundert hat das für sich stehende Zeug die abwertende Bedeutung von Plunder oder Kram bekommen. (Was nichts daran geändert hat, dass es bis heute für den Betreffenden ein existenzieller Unterschied ist, ob sich jemand für ihn ins Zeug legt oder ob er ihm ans Zeug flickt.)Reden kann man wiederum nur dummes Zeug, kein kluges. Aber wer das Zeug zu etwas hat, der erntet Bewunderung.

Dem Wort Plunder ist es übrigens ähnlich ergangen, einst hat es das Hausgerät, die Kleider, die Wäsche und das Bettzeug (wieder so ein nützliches Zeug) benannt, bevor es zum alten Kram verkam.

In Österreich bin ich dann auf Wörter gestoßen, die ohne historische Doppeldeutigkeiten auskommen, wenn sie etwas Wertloses benennen. Im „Klumpert“ stecken ja schon die Lumpen drin, und die haben noch nie einen schlanken Fuß gemacht. Und das „Graffel“ ist mit der spätmittelhochdeutschen „raffel“, verwandt, was „Getöse“ oder „Lärm“ bedeutet. Graffel heißt also im Grunde: viel Lärm um nichts.


Ein schönes, aus dem Niederdeutschen stammendes Wort für all das Klumpert und Klimbim ist das Gedöns, das mit dem Gedunsenen verwandt ist. Ordentlich in die Nesseln gesetzt mit seinem Gedöns hat sich einst Gerhard Schröder. Sie erinnern sich: Das ist der deutsche Ex-Kanzler, der heute gern einmal mit seinem Busenfreund Putin auf Bärenjagd geht und der sich einst nach der Trennung von seiner Frau Hiltrud darüber beschwert haben soll, dass seine Ex ihm nach Feierabend noch nicht einmal seine geliebte Currywurst serviert habe. 1998 teilte der damalige Kanzlerkandidat Schröder seiner Bundestagsfraktion mit, wer die künftige Familienministerin sein würde, und zwar mit den denkwürdigen Worten, sie werde die Ministerin für „Frauen und all das Gedöns“ sein.

Dieser Sager ist ihm im Nachhinein etwas peinlich gewesen, in einem Interview mit der „Welt“ hat er beteuert, ihm sei in dem Moment einfach der lange Name des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nicht eingefallen.

Also ich bin ja echt gespannt, wer in der künftigen österreichischen Regierung Minister für – na, wie heißt es noch gleich? –, für Inländer, Migranten und all das Graffel sein wird.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2013)

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