Ein letztes Wort zum Abschied

Nach vier Jahren ist es an der Zeit, die schwarz-rot-goldene Brille wieder abzusetzen. Ein Dank, ein Abschied und ein letztes Wort.

Man soll bekanntlich aufhören, wenn's am schönsten ist. Wer diese Redensart wohl erfunden hat? War's am Ende ein maßvoller Österreicher oder doch ein lebenslustiger Preuße? Wie auch immer, ich halte es gern mit einer Variante des Spruchs: Hör auf, solange es noch schön ist. Dafür muss man wissen, wann es an der Zeit ist. Für mich ist es jetzt so weit. Über vier Jahre lang hab ich mich Woche für Woche in aller Öffentlichkeit mit dem Deutschsein beschäftigt. Nabelschau kann man nur gesenkten Blickes betreiben, und wer das Leben unentwegt durch die schwarz-rot-goldene Brille betrachtet, der läuft Gefahr, dass für ihn der Planet am Ende nur noch drei Farben trägt. Das würde der Welt unrecht tun, sie ist unendlich viel bunter.

Solange es noch schön ist, bedeutet für mich, aus der Freude und aus der Fülle zu schöpfen, nicht aus der Verlegenheit. Ich habe für den Moment einfach das Gefühl, alles zu dem Thema gesagt zu haben, was mich daran fesselt.


Die Freude an meiner Arbeit, liebe Leserinnen und Leser, hat sich nicht zuletzt von den Leserbriefen genährt, die ich immer wieder von Ihnen bekommen habe. Nicht allein die schiere Vielzahl der Schreiben hat mich überrascht, mehr noch der Ton, der zumeist darin vorherrschte: eine freundliche Ernsthaftigkeit, spürbar getragen von dem authentischen Wunsch, mit mir ins Gespräch zu kommen. Eine Reihe von Kolumnen wäre ohne diese Zusendungen gar nicht entstanden. Noch einmal herzlichen Dank dafür.


Das letzte Wort in meiner Kolumne soll die Jugend haben. Ich habe hier ja schon öfter behauptet, dass die Jungen heute entspannter mit dem heiklen Erbe der deutsch-österreichischen Verwicklungen umgehen als Menschen der Generation Córdoba. Um zu prüfen, ob das auch stimmt, habe ich einen Fragebogen an hundert Jugendliche verschickt, an drei Gymnasialklassen in Salzburg und eine in Wien. Eine Frage möchte ich herausgreifen, sie lautete: „Hältst du es für wichtig, dass sich Österreicher und Deutsche sprachlich voneinander unterscheiden?“ Auf einer Skala von eins bis zehn lag das Ergebnis ziemlich genau in der Mitte. Interessant war: Die meisten Befragten kreuzten Extremwerte an, zu gleichen Teilen bejahende wie verneinende. Es ist offenbar eine Frage, die polarisiert.

Ein Schüler, dem die sprachlichen Unterschiede sehr wichtig waren, schrieb noch einen Kommentar dazu: „Sonst kann ich mir nicht sicher sein, wo ich bin.“ Der Satz gefällt mir. Schon deshalb, weil der Schüler geschrieben hat: wo ich bin – und nicht wer ich bin. Vom Wer zum Wo, von der Identität zum Ort: Ein solcher Wandel, davon bin ich zutiefst überzeugt, kann allen Menschen in sämtlichen Ländern nur guttun.

dietmar.krug@diepresse.com

diepresse.com/diesedeutschen

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2014)

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