Mit hartem oder weichem T oder D oder was?

Über die Fähigkeit der Österreicher, das schlechthin Unaussprechliche auszusprechen.

Von der Fähigkeit der Deutschen, Laute zu sprechen, die nirgends notiert sind, war an dieser Stelle bereits die Rede. Gemeint ist die Aspiration, die es uns ermöglicht, beim Sprechen zwischen dir und Tier zu unterscheiden. Wir geben dem Viech einfach einen kleinen Hauch mit auf den Weg: „Thier“. Dieser Trick ist aber nichts im Vergleich zu der geradezu metaphysischen Kunst der Österreicher, solche Dinge auseinanderzuhalten.

Wenn ein Österreicher nicht am Kontext der Rede erkennt, ob sich jemand wegen seiner Datenoder seiner Taten verantworten muss, dann fragt er: Mit hartem oder weichem – ja, was eigentlich? Mit hartem oder weichem was? Und jetzt wird's philosophisch: Schriebe ich bei dieser Frage einen Buchstaben hin, etwa ein D, würde ich einen logischen Kategorienfehler begehen, abgesehen davon, dass die Frage dann sinnlos wäre, weil schon beantwortet. Ich muss bei der Erkundigung ein übergeordnetes Drittes benennen, das entweder ein D oder ein Tsein kann. Da es aber für dieses Dritte gar keinen Buchstaben gibt, erfinde ich einfach einen, nennen wir ihn: d/t. Jetzt kann ich die Frage zumindest niederschreiben: Mit hartem oder weichem d/t?

Aussprechen kann ich diesen Laut natürlich nicht, wie sollte er auch klingen? Das kann nur ein Österreicher, jedes Kind ist hier von klein auf daran gewöhnt, das schlechthin Unaussprechliche auszusprechen: einen Laut, den es streng genommen gar nicht gibt. Lauschen Sie doch mal, wie es klingt, wenn jemand fragt, mit weichem oder hartem...


Zu einem metaphysischen Missverständnis kam es unlängst nach einer Band-Session. Das Gespräch kreiste um das deutsch–österreichische Verhältnis – das passiert mir hin und wieder –, und der Bassist teilte eine interessante Beobachtung mit: Die einzigen Ausländer, mit denen die Österreicher konsequent Hochdeutsch sprechen, seien die Deutschen. Sobald aber etwa ein des Deutschen mächtiger Amerikaner auftauche, redeten sie wieder, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Was zur Folge habe, das der Ärmste kein Wort versteht.

Der Schlagzeuger warf ein, er verstehe die ganze Aufregung nicht, er sehe überhaupt kein Problem zwischen Deutschen und Österreichern, das sei doch alles nur harmlose Frotzelei. Er habe zum Beispiel einen deutschen Schulkollegen gehabt, den „Scheibi“, der sei optimal in die Klasse integriert gewesen. Okay, man habe ihn schon mal auf die Schaufel genommen – aber Probleme, woher denn? Ich glaubte ihm das sofort, und erst nach meiner Frage, warum der Kollege denn „Scheibi“ geheißen habe, wurde mir bewusst, dass ich wieder einmal der österreichischen Sprachmetaphysik aufgesessen war: „Nix Scheibi – mit hartem b/p!“ Da fiel der Groschen, sein Name war eine Abkürzung. Für was? Für was wohl: Schei... Pie...

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2010)

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