Nobel,edel, adlig – ein Politiker aus der Retorte

Oder: Wo die Deutschen noch mehr Wert auf Titel legen als die Österreicher.

Seit dem 3. April 1919 ist hierzulande das Führen von Adelstiteln verboten. Das galt freilich nicht für Herbert Ritter von Karajan. Der Fürst der Taktstöcke hatte gedroht, er werde in Österreich nicht mehr aufs Podest steigen, wenn sein Name auf den Plakaten ohne „von“ aufscheine. Der Amtsschimmel gab nach und erklärte seinen Titel kurzerhand zum Künstlernamen – ein Deal, bei dem der Sonnenkönig vermittelt haben soll. Über Kreisky, der sein Land mit ach so vielem versöhnen wollte, wird eine Anekdote kolportiert. Auf die Frage, warum er als Außenminister so viele Adlige in sein Ressort berufe, meinte er: „Im Außenamt brauche ich Leute, die mit Messer und Gabel essen können.“

Und doch: Das sonst so titelversessene Österreich war hier konsequenter als sein Nachbar. In Deutschland hatte der Adel zwar auch seine Privilegien eingebüßt, nicht aber das Recht, seine Titel im Namen zu führen. Die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ verdankt ihren guten Ruf nicht zuletzt einem Spross aus ostpreußischem Adel: Marion Gräfin Dönhoff. Ihr Titel zierte nicht nur ihre Artikel, mit „Frau Gräfin“ wurde sie auch in der Redaktion angeredet, und sie hat nie dagegen protestiert. Über ihren Freund, den Freiherrn Richard von Weizsäcker, schrieb sie: „Wenn man einen idealen Bundespräsidenten synthetisch herstellen könnte, würde kein anderer dabei herauskommen als er.“ Wie wahr! Ein Staatsoberhaupt aus der Retorte: nobel, adlig und von edelster Gesinnung.


Weizsäckers berühmte Rede zum Jahrestag der deutschen Kapitulation ist historisch geworden, weil er den 8. Mai als Tag der Befreiung und nicht der Niederlage bezeichnet hatte. Sein Vor-Vorgänger im Amt, der volkstümliche Walter Scheel, hatte zehn Jahre zuvor zum gleichen Anlass das Gleiche gesagt – ohne damit in die Geschichte einzugehen. Denn er hatte weder die geschliffene Rhetorik noch den Nimbus des Aristokraten.

Offenbar gibt es einen tiefen Wunsch der Deutschen, dass manche Politiker besser und feiner sein sollen als die Masse. Die Popularität Karl-Theodor zu Guttenbergs beweist es. Dieser Edelmann war indes in einem neuen Medienzeitalter angekommen. Für seine noble Gesinnungs-Show hatte er sich mit dem Boulevard verbündet, den er gemeinsam mit seiner Frau, einer Urenkelin Fürst Bismarcks, mit Glanz und Glamour fütterte.

Jetzt müssen die Deutschen wohl oder übel noch eine Weile mit einer denkbar unglamourösen Kanzlerin vorlieb nehmen – mit „Mutti“, wie sie von ihren Ministern genannt wird. (Nicht etwa „Mama“, mit Betonung auf der zweiten Silbe.) Es mag an meiner Herkunft liegen, aber mir ist eine Mutti, die den Laden zusammenhält, immer noch lieber als ein Freiherr, der rasch nach dem Gesinde läutet, wenn ihm die Plackerei zu viel wird.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2011)

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