Über die Preußen, Teil 2

Wer war eigentlich schuld an der Schlacht von Königgrätz? Und war Bismarck ein Segen für Deutschland?

Wenn es stimmt, was der Volksmund in Gestalt von Michael Häupl behauptet, dass Córdoba die Rache für Königgrätz war, dann muss diese Schlacht bedeutend gewesen sein. Und das war sie ja auch. Sie entschied den alten Machtkampf zwischen Österreich und Preußen um die Vorherrschaft in Deutschland. Nach 1866 hatten die Habsburger im Deutschen Bund nichts mehr zu sagen, und die Preußen stellten bald den Kaiser eines geeinten Deutschlands.

Wo ein Krieg ist, da ist auch eine Kriegsschuldfrage. Liest man in österreichischen und deutschen Geschichtsbüchern über Königgrätz, dann fällt auf, wie sehr die Urteile der Zunft davon abhängen, wes Landes Kind der Autor ist. Deutsche Historiker zitieren gern einen angeblichen Ausspruch des Ministerpräsidenten Schwarzenberg, der die Donaumonarchie in der Revolution von 1848 vor dem Abgrund gerettet hat. Als Österreichs neuer starker Mann hatte er eine Vision: ein „Siebzig-Millionen-Reich“ unter Habsburgs Szepter, sozusagen den Anschluss Deutschlands an den Vielvölkerstaat. Schließlich hatten die Habsburger schon die deutsche Kaiserkrone getragen, als die Hohenzollern gerade erst lernten, mit Messer und Gabel zu essen. Auf die Frage, was dann aus Preußen werde, soll Schwarzenberg geantwortet haben: „Avilir, puis démolir“ („Demütigen, dann vernichten“).


Österreichische Historiker zitieren dagegen gern einen Ausspruch Otto von Bismarcks. Befragt nach den Zielen seiner Politik, meinte der neue starke Mann Preußens: „Reorganisation der Armee, dann Kriegserklärung an Österreich unter dem erstbesten Vorwand und als Schlusseffekt: nationale Einheit unter Führung Preußens.“

Kein Wunder, dass Königgrätz es bis in den Volksmund geschafft hat, wenn sogar die Historiker sich noch genötigt fühlen, hier Flagge zu zeigen. Fest steht, dass beide Mächte bereit waren, für Deutschlands erste Geige in die Schlacht zu ziehen, so wie sie auch bereit waren, Krieg gegen das eigene Volk zu führen, um es von der Macht fernzuhalten. Dass die Weichen der deutschen und der österreichischen Geschichte nicht in der bürgerlichen Revolution von 1848 gestellt wurden, sondern im Krieg von 1866, sollte sich für beide Länder als schwere Hypothek erweisen. Bis ihre machtbesessenen Dynastien abdankten, bedurfte es eines noch viel größeren planetaren Gemetzels.

Die Deutschen verdanken den Preußen einiges, ihre Disziplin, ihren Ordnungssinn, ihre Rationalität. Die staatliche Einheit verdanken sie einem stockkonservativen Junker, der davon beseelt war, dass die „großen Fragen der Zeit nicht durch Reden und Majoriätsbeschlüsse entschieden werden, sondern durch Blut und Eisen“. Ein Segen für Deutschland war das nicht.

dietmar.krug@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2011)

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