Von kleinen und großen Namenspannen

Ich wurde wieder einmal falsch geschrieben. Von kleinen und großen Namenspannen und was die Russische Revolution damit zu tun hat.

Keira Knightley ist auch so eine Namensverletzte. Jüngst sagte die britische Schauspielerin in einem Interview, dass ihr Vorname ein großes Missverständnis gewesen sei, weil der Vater Kiera sagte, die Mutter aber Keira verstand, und eigentlich wurde sie nach einer russischen Eiskunstläuferin benannt, die Kira hieß. Richte bitte der Keira aus, dass ich auch so ein Unglücksrabe bin. Ja, gut, es sind nicht die Eltern, die mich falsch buchstabieren – das ist besonders düster –, dafür aber der Rest der Welt. Kürzliche Postsendungen ergingen an: Ötzkan, Duygu Duygu (sic!), Frau (oder Herr) Duyugu Özkan, Ökzan, Cezkan usw. Diese Namenswirren sind freilich keine rein migrantische Angelegenheit, niemand ist vor derartigen Ausrutschern gefeit. Dieselbe Organisation, die an Duygu Duygu schrieb, schrieb auch an Kollegin Jutta Jutta.

Wir sind in der Parallelgesellschaft auch Namensspezialisten, frage nicht. Was mir in türkischen (sozialen) Medien schon alles untergekommen ist! Friedrich Niçe, Jak Şirak, Hüseyin Bolt...

Bürgerkrieg. Als meine Cousine auf die Welt kam, haben sich in der Türkei linke und rechte Gruppierungen einen regelrechten Bürgerkrieg geliefert. Die Zeit zwischen den 1970ern und 1990ern hängt wie eine tiefschwarze Wolke über dem kollektiven Gedächtnis, zumal die Nachwehen noch heute spürbar sind: die tiefe Spaltung der türkischen Gesellschaft, die Verankerung von Misstrauen gegenüber allem und jedem (das gilt vor allem für meine Elterngeneration). Jedenfalls sollte meine Cousine einen hübschen italienischen, griechisch klingenden Namen bekommen, was bei der Registrierung eine kurzzeitige Verhaftung meiner Tante zur Folge hatte. Der zuständige Beamte trug in die Geburtsurkunde einen türkischen Namen ein, der ihm gerade einfiel. Offiziell hieß sie also wie hunderttausende andere Mädchen, aber in der Familie haben wir sie nie so genannt. Jahre später hat meine Cousine ihren Namen behördlich ändern lassen, als sich auch die Lage im Land beruhigt hatte. Jetzt heißt sie so, wie sie immer heißen sollte. Namen waren lange Zeit ein Politikum in Türkei. Die kurdische Gemeinschaft kann ein Lied davon singen.

Politisch ist es im Übrigen auch in Russland zugegangen, als nach der Oktoberrevolution die Bolschewiki an die Macht kamen. Der Historiker Richard Stites schildert, wie sich die Diktatur des Proletariats auf die Namensgebung ausgewirkt hat: Neugeborene wurden Melior genannt – eine Zusammensetzung von Marx, Engels, Lenin und Oktoberrevolution – oder auch Marlen – für Marx und Lenin. Mädchen hießen Engelina oder Barrikada, Geschwister hießen Molot und Serpina (Hammer und Sichel). Die Bauern haben ihren Nachwuchs als Zeichen der bevorstehenden Industrialisierung und Progressivität tatsächlich Industria, Dinamo, Elektrifikacija oder auch Traktorina genannt. Man hat eben an die Zukunft geglaubt.


Placido. Mir wurde einmal gesagt, dass der spanische Opernsänger Placido Domingo in Österreich deswegen so beliebt ist, weil sein Name (frei) übersetzt „Sonntag Ruhetag“ heißt.

duygu.oezkan@diepresse.com

diepresse.com/diesetuerken

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2015)

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