Der Vorbote des Frühlings ist dreist und gemein

Von der Einteilung der Jahreszeiten und von den Tagen als Studentin.

Schau doch nicht immer so traurig! Bald haben wir es überstanden. Bald ist es vorbei mit der ewigen Finsternis des Winters. Das kannst du mir deswegen glauben, weil sich neuerdings mit den ersten Sonnenstrahlen ein Vögelchen auf meine Fensterbank niederlässt und sich in Richtung meines Schlafzimmers die Seele aus dem Leib zwitschert. Natürlich, bei einem Menschen würdest du sofort das Fenster aufreißen und die wüstesten Kriegserklärungen hinausbrüllen, aber das Vögelchen wird dich da nicht verstehen, also frisst du die Wut schon um sechs Uhr in der Früh in dich hinein und beruhigst dich mit der Aussicht auf zwei Sonnenstrahlen.

Bei uns in Vorarlberg sind die Vögelchen nicht so dreist unterwegs, überhaupt haben wir dort eine alternative Einteilung der Jahreszeiten. Der Winter ist nie so arg kalt und der Frühling nie so arg warm, sprich: Wir haben einen lange andauernden Winterfrühling mit einer lächerlich kurzen, hauptsächlich verregneten Sommerunterbrechung. Dazwischen quetscht sich manchmal eine mehrwöchige Skisaison, die für Skiverweigerer wie mich ebenfalls zum Winterfrühling zählt. Aber das soll dich nicht davon abhalten, unser Vorarlberg zu lieben, das würde mich sehr böse machen.

WG. Stattdessen könntest du dich fragen, was mit den Oberösterreichern los ist. Mit einer großen Delegation aus diesem Bundesland habe ich jahrelang eine Studenten-WG geteilt, das heißt, ich habe die Linzer Aufteilung der Jahreszeiten gründlich beobachten können. „Bei uns funktioniert das so“, hat mein Mitbewohner immer gesagt, „wir beginnen mal mit Sekt.“ Dann kommt die Restlverwertung von Weihnachten, also eine kurze Glühweinphase. Die geht anschließend über in die Rotweinsaison, die wiederum von den Bockbierwochen abgelöst wird. Später kommen die Spritzer, die junge Zeitgenossen in Sommerspritzer, Hugo, Aperol oder minziges Zeug umwandeln. Nach einigen Wochen kündigen sich Sturm und Most an, vielleicht gibt es sogar ein paar schöne Uhudler-Tage, aber dann hast du es wieder mit Punsch und Glühwein zu tun.

Als jemand, der sich sonst an die Spatzen hält, kommst du dir bei dieser Einteilung natürlich vor wie die Schwester vom Ziegenpeter, sprich: abgeschottetes Almleben. Aber bitte, immerhin kannst du so das Überleben der ein oder anderen Gehirnzelle sichern. Sowieso wird ein nicht unerheblicher Zellenvorrat während der Studienzeit eliminiert – auch ohne den oberösterreichischen Kalender –, aber soweit ich weiß, werden diese Post-Party-Verluste schon in die Studienpläne mit einkalkuliert.

Rallye. Meine Oberösterreich-WG hat anlässlich der Geburtstage unserer jeweiligen Mitbewohner eine sogenannte Seiterl-Rallye veranstaltet. Das Event begann um acht Uhr in der Früh und dauerte meist bis Mitternacht. Das Ziel der Geschichte war, ein kleines Bier in jedem Wiener Gemeindebezirk zu trinken. Es gab sogar einen strengen Bezirksumrundungsplan. Unglaublich, aber nach 23 Bier haben diese Oberösterreicher immer den Weg nach Hause gefunden und waren dann auch noch in der Lage, stundenlang von ihren Erlebnissen zu erzählen.

duygu.oezkan@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2015)

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