Urlaub in der Espressobar

Ich mache Urlaub in der Espressobar. Von unserem Faible für Italien, von den Menschenmassen und von Urlaubsfotos.

Das Blöde ist ja, dass wirklich die ganze Welt Italien wunderbar und grandios findet, nicht nur du und ich. Diese Menschenmassen überall in den Städten, an den Stränden, in Ligurien, Amalfi, Toskana, und von der oberen Adria-Küste fange ich gar nicht erst an. Vor lauter Verzweiflung bin ich einmal im tiefsten Winter nach Venedig gefahren, in der Hoffnung, die fünf Millionen Touristen pro Seitengasse vermeiden zu können, aber genau dasselbe hatten sich die fünf Millionen Touristen pro Seitengasse auch gedacht. Es nützt nichts, wir werden den Stiefel niemals für uns haben. Schau dir zum Beispiel ein altes Familienalbum von uns an: die Mama auf der Rialtobrücke mit einer japanischen Reisegruppe, der Papa, wie er auf dem Markusplatz in einer Menschenansammlung steht, um von einem fliegenden Händler Taubenfutter zu kaufen, die Schwester, wie sie mit tausend anderen Schwestern Tauben füttert, der kleine Bruder, den man im Gedränge auf dem Foto erst einmal lokalisieren muss, und überhaupt eine Reihe weiterer Bilder, bei denen wir nicht wissen, ob jemand von uns drauf ist oder nicht. Selbst auf den Fotos ist einfach zu viel los.

Oder die Autofahrt von Bregenz nach Rimini in den Sommerferien: endlose Staus, endlose Diskussionen mit den Eltern über die musikalische Untermalung (Türkische Arabesken vs. Die Fantastischen Vier), dann der endlose Strand und natürlich endlos Menschen, Menschen, Menschen.

Aber nie hat eine Pizza besser geschmeckt als nach einem Tag in der salzigen Luft und im schlammigen Adriawasser. Alleine wegen dieser Erinnerungen hat Italien einen sentimentalen Wert, das ist bei uns in der Parallelgesellschaft nicht viel anders. Du wirst mich also auch heuer im Stiefel finden, und ich glaube, dass du dort schon eine ruhige und schöne Strandgegend entdeckt hast. Ich warte auf deine Mail.

Mozzarella. Manchmal läuft mir außerhalb Italiens eine charmante Espressobar über den Weg, wie kürzlich hier in Berlin. Da kannst du natürlich nicht vorbeigehen, der Laden zieht dich gravitationsgesetzmäßig hinein. Zwei kampanische Brüder stehen hinter der Theke, sind insgesamt fröhlich, und während der eine meinen bestellten Cappuccino schäumt, säbelt der andere an einem riesigen Stück Mozzarella herum, tanzt und singt, drapiert die Scheiben auf einen Teller, träufelt Olivenöl drauf, schwingt sich durch die Thekengegend direkt zu mir und schiebt mir in aller Plötzlichkeit eine Mozzarellascheibe in den Mund. So überrascht habe ich noch nie gekaut. „Schmeckt gut“, sage ich. „Natürlich“, sagt er. Dann fordert er mich auf, ein Lied mitzusingen, das aus einer einzigen Textzeile besteht: Lucia. Ja, was soll ich sagen, ich kenne das Lied nicht, habe trotzdem mitgesungen und bin ganz erholt aus der Bar wieder hinaus. Urlaub eben.

Pizza. Die Mama hat immer gesagt: Pizza ist kein richtiges Essen. Die Herstellung dauert gefühlte drei Sekunden, überhaupt brauchst du nur eine Handvoll Zutaten. Zwei Dinge, die im krassen Gegensatz zu einem türkischen Gericht stehen.

duygu.oezkan@diepresse.com

diepresse.com/diesetuerken

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2015)

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