Wie der Staat arme Menschen noch ärmer macht

Viele wissen es bereits: São Paulo in Brasilien ist eine „saubere" Stadt. Seit dem 1. Januar diesen Jahres ist Außenwerbung („visuelle Umweltverschmutzung") in der Stadt verboten und seit dem 1. März gilt dies auch für Firmenschilder.

Einzig Hotels und natürlich öffentliche Institutionen dürfen weiter auf sich aufmerksam machen. Wer sich nicht an das Verbot hält, muss tief in die Tasche greifen. Jeder illegale Quadratmeter Außenwerbung kostet 1000 Real, rund 375 Euro. Die 700 Kontrolleure haben der Stadt denn auch schon über 26 Mio. Real (10 Mio. Euro) in die klamme Kasse gespült.

Soweit so schön. Den Großen tut das Verbot nicht weh. Die Außenwerbung ist nach innen gezogen. In den riesigen Shoppingcentern, den unzähligen Malls und den vielen Durchgängen ist die Werbung nicht verboten. Zudem verlegen sich viele der großen Fische auf Alternativen wie z. B. Werbung via Bluetooth an die Handys der Passanten zu verschicken.

Auf der Strecke bleiben die kleinen Händler und Gewerbetreibenden. Viele von ihnen kämpfen jetzt ums Überleben. Jacoberto Bastos, Inhaber eines kleinen Kleiderladens in Lapa, dem Viertel der Handwerker und Kleinfabrikanten, spricht Klartext: „Die Hunde von der Stadt kamen und haben mir die Folie von der Scheibe gekratzt. Ich darf nicht mehr auf mein Schaufenster schreiben, was ich will! Wie soll der Kunde meine Sonderangebote bemerken?" Ebenfalls direkt betroffen ist die grafische Industrie der Stadt. Rund 20.000 Menschen arbeiten - genauer: arbeiteten - direkt für die Außenwerbung. Auch sie sind in ihrer Existenz bedroht.

Hauptsache die Stadt ist sauber - und die Wahlplakate des Polit-Establishments werden nächstes Jahr endlich wieder wahrgenommen!

Michael Gisiger
Schweiz

www.paxx.tv

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2007)

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