Wie verabschiedet man sich aus der hohen Politik? - Ein Rezept

Mitterlehner und Faymann nach dem Ministerrat.
Mitterlehner und Faymann nach dem Ministerrat.APA/ROLAND SCHLAGER
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Wie verabschiedet man sich aus der hohen Politik? Falls manche noch um Worte ringen – hier ist ein Rezept.

Die an sich optimistisch in die nahe Zukunft blickenden Meinungsforscher im Gegengift sind nach dem vergangenen Sonntag ziemlich still geworden. Deshalb wollen sie auch keine Expertise dazu abgeben, warum es nach der Niederlage der inzwischen kleinen Koalitionsparteien bisher noch zu keinen Rücktritten von deren Spitzenkräften gekommen ist – sieht man von den Vorkämpfern Hundstorfer und Khol ab, die präventiv zurückgetreten waren, ehe sie überhaupt antraten. Aber weder beim Kanzler noch beim Vizekanzler gibt es Anzeichen für Veränderungswillen.

Warum ist das so? Nun, dazu braucht man keine neue Umfragen, sondern Erfahrung in der Rhetorik. Eine gute Abschiedsrede braucht eben Zeit. Nicht jedem ist es gegeben, in der Stunde der Not dem Volk spontan ein „Gott schütze Österreich!“ zu hinterlassen. Auch in Demokratien müssen erst Fragen der Nachfolge geregelt und würdige Schlusssätze gefunden werden. Zudem ist noch zu klären, ob die Niederlage bei einer Bundespräsidentenwahl zwingend zum Rücktritt der Parteispitze führen muss: Wenn Herr Hofer (oder Herr Van der Bellen) nicht gewinnt, wird dann auch Herr Strache (Frau Glawischnig) zurücktreten?

Es bleiben noch fast drei Wochen. Um es den Verantwortlichen leichter zu machen, die richtigen Worte für einen starken Abgang zu finden, haben wir Anleihen von Abschieden berühmter Vorgänger der vergangenen 20 Jahre genommen. Mangel an Reden gab es nicht. Hier die universale Ansprache für Opfer des Fortschritts:

Meine lieben Freunde! Es ist sehr schön, euch heute hier alle wiederzusehen. Ich bin etwas bewegt, muss ich ehrlich sagen. Dieser Job hat mir die größte Freude gemacht. Ich bin heute hier, um den Parteivorsitz an dich, lieber Freund, zu übergeben. Was ich nicht will, ist, mich zwingen zu lassen, etwas zu tun, was ich nicht für richtig halte. Es war das schlechteste Ergebnis in der Geschichte meiner Partei. Das ist eine schmerzliche Niederlage. Beide Regierungsparteien haben verloren. Darum übergebe ich auch die Partei einem anderen. Geh du voran! Ich bin schon weg! Ich bin schon wieder da! Scherz! Jetzt bin ich wirklich weg. Ich bin stolz auf das, was wir gemeinsam zustande gebracht haben. Ich entschuldige mich bei allen Suderern für die Fehler, die ich gemacht habe. Eines will ich zum Abschied nicht verschweigen: Wie wir miteinander umgehen, meine Damen und Herren, so wird mit uns umgegangen. Die Politik hat dann Respekt bei der Bevölkerung, wenn sie den Mut hat, die großen Fragen anzusprechen. Ich bin von niemandem gedrängt worden, aber mein Rücktritt ist eine Chance, die Rückholung der Wähler einzuläuten.


E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 30.04.2016)

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