Rankingwahn

Ranglisten erreichen zum Jahreswechsel stets ihren Höhepunkt. Gerade in der Kunstwelt treiben sie teilweise seltsame Blüten. Eine Kostprobe.

Zum Jahreswechsel werden von Medien gern Listen und Rankings erstellt. So auch im Kunstbereich: die wichtigsten Künstler, Sammler, Direktoren, Kuratoren, Galerien, Markttrends, die teuersten Werke, die Aufsteiger und Absteiger, die Newcomer und vieles mehr. Zu den unterhaltsamsten zählt „The Most Insightful and Outrageous Yelp Reviews of the New Whitney Museum“, also die aufschlussreichsten und himmelschreiendsten Kommentare zum neuen Whitney Museum auf dem Internetempfehlungsportal Yelp. Das von Renzo Piano im angesagten Meatpacking District in Manhattan erbaute Museum hat am 1. Mai 2015 aufgesperrt und zählte zu den meistdiskutierten Neueröffnungen, so auch auf Yelp. Der Online-Kunstinformationsdienst Artnet hat die skurrilsten Kommentare zusammengesucht. Den ersten Platz belegt Brian D. aus Jackson Heights, NY: „Sechs Sterne, acht Sterne, elf Sterne? Ich liebe das neue Whitney. Was ist so großartig daran? Nun, die Luftqualität ist hervorragend.“

Artnet hat auch eine Aufreihung der „Important Art World Trends We Wish Would Go Away In 2016“ zusammengetragen. Dazu zählen die überhandnehmenden Garantien der Auktionshäuser, die die Nachfrage verzerren, oder Konzerne, die Pseudo-Kunstevents im Umfeld von Messen wie der Art Basel Miami als neueste Marketingmasche entdeckt haben. Als kritikwürdigen Trend identifizierte die Plattform aber auch Kunstselfies, Vernissagen, bei denen kein Alkohol ausgeschenkt wird, und VIP-Previews, die zu wenig Essen anbieten.

Power 100. Zu den renommierten Ranglisten gehört „Power 100“ des britischen Kunstmagazins „Art Review“, das die einflussreichsten Personen im internationalen Kunstbetrieb kürt. Das Ranking wird von einer anonymen 16-köpfigen Jury erstellt. Kriterien sind der internationale Einfluss auf die Kunstproduktion und der Beitrag zur Kunst. Die Liste umfasst vor allem Galeristen, Kuratoren, Sammler und Museumschefs. 2015 landete das Galeristenehepaar Iwan und Manuela Wirth auf Platz 1. Es hätte mit Dependancen in Zürich, London, New York, einem im Vorjahr eröffneten Kunstzentrum auf einem Bauernhof im britischen Somerset und einem geplanten museumsähnlichen Zentrum in Los Angeles die Idee, was eine kommerzielle Galerie sein kann, erweitert, begründete das Magazin die Wahl. Unter den Top Ten gibt es wenig Veränderungen: Der US-Kunsthändler Larry Gagosian, der Chef des New Yorker MoMA, Glenn D. Lowry und das Londoner Serpentine-Direktorenteam Hans Ulrich Obrist und Julia Peyton-Jones sind seit Jahren vorn dabei.

eva.komarek@wirtschaftsblatt.at

diepresse.com/kunstwerte

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2016)

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