Kein Brexit-Blues

Die Auktionen für zeitgenössische Kunst in London waren überraschend stark. Der internationale Kunstmarkt ignoriert das Ausstiegsvotum.

„Keep calm and carry on“ war ein Propaganda-Poster, das die britische Regierung 1939 produzieren ließ, um die Moral der Bevölkerung im Fall eines schweren Militärschlags zu stärken. Inzwischen ist es zum geflügelten Wort geworden und trifft auch für das Verhalten des Kunstmarktes nach dem Brexit-Votum zu. Während bei den Londoner Auktionen kurz vor dem Referendum die Stimmung sehr verhalten war und die Ergebnisse enttäuschend, zeigte sich der Markt diese Woche bei den Auktionen für Nachkriegs- und Gegenwartskunst sehr robust. So gesehen bewahrheitet sich die Aussage von Christie's direkt nach dem Brexit-Votum, dass für das Auktionshaus vorerst Business as usual sei.Rekordpreise. Sotheby's machte den Anfang und schrieb sogar neue Rekorde. Die Überraschung des Abends war ein Zuschlag von 6,8 Millionen Pfund für Jenny Savilles „Shift“, ein neuer Höchstpreis für die Künstlerin. Der obere Schätzwert lag bei zwei Millionen Pfund.Das Bild war 1997 in der bekannten Ausstellung „Sensations“ bei Saatchi zu sehen und ging an das Long-Museum in Shanghai.

Ein neuer Rekord wurde auch für Keith Harings „The Last Rainforest“ erzielt. 4,2 Millionen Pfund war der Zuschlag für das Werk, das seit 2005 im Besitz von Harings Freund David LaChapelle war. Der rumänische Shootingstar Adrian Ghenie konnte seine Marktposition bei der Auktion festigen. Sein Gemälde „The Hunted“ verdreifachte seine Taxe auf 1,6 Millionen Pfund und gingan einen asiatischen Privatsammler.

Christie's hatte einen holprigen Start. Ein Einbringer bekam wohl den Brexit-Blues und verlor die Nerven. Er zog ein „Abstraktes Bild“ von Gerhard Richter kurz vor Auktionsbeginn zurück. Das strapazierte zwar das Nervenkostüm der Auktionatoren, doch die Sorge war unbegründet. Die Versteigerung lief wie geschmiert. Die acht Arbeiten von Jean-Michel Basquiat, die aus der Sammlung von Schauspieler Johnny Depp stammen, verzeichneten rege Nachfrage. Ein Selbstporträt aus dem Jahr 1981 ging mit 3,5 Millionen Pfund an die Acquavella Galleries, der das Werk deutlich mehr wert war als die Schätzung. Auch der höchste Preis der Auktion wurde für Basquiat vergeben. „Pork“ ging nach einem Bietergefecht für 5,1 Millionen Pfund an eine unbekannte Dame.

Die Auktion bei Christie's habe einen hohen asiatischen Käuferanteil gehabt, sagte Brett Gorvy, Christie's-Vorsitzender für Gegenwartskunst. Das durch den Brexit stark gesunkene Pfund hat wohl die Kauflust der Asiaten beflügelt.

eva.komarek@wirtschaftsblatt.at

diepresse.com/kunstwerte

(Print-Ausgabe, 03.07.2016)

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