Thaddaeus Ropac: "London war der logische nächste Schritt"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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London wird auch nach dem Brexit Europas Kunstzentrum bleiben, sagt Galerist Thaddaeus Ropac. Ein Gespräch über Pläne, den Markt und absurde Preise.

Herr Ropac, Sie haben die Galerieexpansion nach London bekannt gegeben und wollen kommendes Frühjahr aufsperren. Warum haben Sie sich für London entschieden und warum jetzt?

Thaddaeus Ropac: Das ist eine Frage des Wachstums. Wir haben im Nordosten von Paris eine große Galerie eröffnet, und alle haben uns gefragt, wieso eine zweite Galerie in Paris? Wir wollten den Künstlern einen Space geben, monumentale Werke zeigen, die weit über die Limits normaler Galerien hinausgehen. Der Erfolg gibt uns auf allen Linien recht, nicht nur beim Verkauf, sondern vor allem bei den Besuchern. Wir hätten uns mit 5000 pro Jahr zufriedengegeben, jetzt haben wir 20.000. Nach Paris haben wir uns die Frage gestellt, was kommt als Nächstes, und London war der logische Schritt.

Warum haben Sie sich für London entschieden und nicht beispielsweise für New York?

Ich sehe mich als völlig überzeugter Europäer. Ich bin gegen die Idee der weltweiten Vertretung von Künstlern. Man ist in einem Markt sehr stark, dort kann man seine Expertise ausspielen. Auf den anderen Märkten ist man eben schwächer. Der Rauschenberg Estate wurde beispielsweise neu ausgeschrieben. Zuvor hat ihn Gagosian weltweit vertreten. Wir haben jetzt die Vertretung für Europa bekommen. In Europa sind wir vernetzt wie wenige Mitbewerber und können für die Künstler das Optimale leisten.

Ihre Entscheidung nach London zu gehen fiel noch vor dem Brexit-Votum. Würden Sie die Entscheidung heute, nachdem die Wahl für einen Austritt aus der EU gefallen ist, wieder so treffen?

London ist die Kunstmarktmetropole Europas, der Brexit wird das nicht ändern. Als überzeugter Europäer tut es mir aber persönlich sehr leid. Für den Kunstmarkt könnte der Brexit sogar eine positive Auswirkung haben, weil sich England aus dem Folgerecht zurückziehen und bei der Mehrwertsteuer nicht mit der EU mitziehen wird. Der Nachteil ist, dass man Kunst nicht mehr so frei bewegen kann. Künftig wird es viel aufwendiger, Werke aus Paris oder Salzburg für ein Viewing nach England zu bringen. Vor allem bedeutet es einen enormen finanziellen Aufwand, weil wir die Mehrwertsteuer hinterlegen müssen.


Welches Programm werden Sie in London machen?

Wir erfinden das Format nicht neu, sind natürlich unseren Künstlern verbunden, aber wir wollen überraschen. Wir werden das Programm ausweiten und Augenmerk auf historisch wichtige Kunst lenken, Kunst der 1960er- und 1970er-Jahre, aber genauso mit Elan das Neueste zeigen.


Sie haben vor allem etablierte Künstler in Ihrem Programm. Wie wichtig ist es für Sie, neue, junge Künstler aufzunehmen?

Wir nehmen jedes Jahr eine wichtige junge Position ins Programm. Die Galerie ist sehr groß geworden, wir vertreten gut 60 Künstler, das ist ein enormer Aufwand. Jede Neuaufnahme wird sorgfältig diskutiert, aber jeder Künstler, der aufgenommen wird, bekommt umfassende Betreuung. Wir haben zuletzt größeres Augenmerk auf Kunst außerhalb Europas und den USA gelegt, wie beispielsweise Lee Bul, Imran Qureshi, Ali Banisadr, Farhad Moshiri. Wir haben versucht, neue Brücken zu bauen.

Was sind die wesentlichen Entscheidungskriterien für eine Aufnahme ins Galerienprogramm?

Das sind unterschiedliche Kriterien. Relevanz ist das Wichtigste. Ein Künstler muss für das, wofür er steht, im gesamten Kontext relevant sein, es muss mit der Definition eines neuen Kunstbegriffs einhergehen. Jetzt ist uns die Kunstszene in Pakistan oder im Iran weniger vertraut als die europäische, damit müssen wir lernen umzugehen und uns die Frage der Relevanz ganz anders stellen. Wir haben viele wunderbare Leute auf institutioneller Seite, die uns beraten. Letztlich geht es aber auch darum, Künstler ins Programm zu nehmen, die uns emotional liegen. Es ist eine sehr persönliche Frage, mit welchem Werk ich mich identifizieren kann. Denn der Hauptteil meiner Arbeit sind die Künstler.

Kunst aus den Emerging Markets spielt eine immer wichtigere Rolle auf dem internationalen Markt. Die Bewertung erfolgt aber vorrangig aus der Sicht des Westens. Ist das nicht problematisch?

Ich bekomme sicher jede Woche eine Einladung, an einer beeindruckenden Jury teilzunehmen. Ich habe jetzt eine in Riga angenommen, es sind unglaublich engagierte Leute und hochkarätige Jurymitglieder. Ich komme um 10 Uhr abends an, treffe mit den Jurymitgliedern zusammen, am nächsten Tag schauen wir uns von 8.30 bis 16 Uhr Kunst an und dann müssen wir eine Entscheidung treffen. Zwei Monate später werden die Preise verteilt. Bis dahin weiß ich kaum noch, was ich gesehen habe. Da denke ich mir schon, ob wir nicht mit einer wahnsinnig westlichen Arroganz und Entscheidungsgewalt dort einfallen, die dem nie gerecht werden kann. Dabei ist uns Riga noch vertrauter als beispielsweise Indien oder Pakistan. Wenn uns die grundsätzlichen Voraussetzungen einer kulturellen Basis unvertraut sind, frage ich mich, wie wir uns erlauben können, diese Entscheidungen zu treffen. Und da werden wir alle noch korrigiert werden.

Die Preisspirale auf dem Kunstmarkt dreht sich immer schneller. Auch für noch sehr junge Künstler werden innerhalb von ein, zwei Jahren auf dem Auktionsmarkt sechsstellige Beträge gezahlt. Ist das noch gesund?

Heute erzielen einzelne Künstler unvorstellbare Summen, dadurch wurden ganz neue Marktteilnehmer gefördert, die Spekulanten. Wir arbeiten zum Beispiel mit dem jungen rumänischen Künstler Adrian Ghenie, bei dem wir derzeit eine Spekulationswelle erleben, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Das ist absurd. Für einen jungen Künstler ist es schwierig, diesem Druck standzuhalten. Wir versuchen das zu korrigieren und wieder in seriösere Bahnen zu lenken, aber das ist nur teilweise möglich, weil der Kunstmarkt seinen eigenen Gesetzen folgt.

Steckbrief

1960 in Klagenfurt geboren, er wollte zuerst selbst Künstler werden.

1981/82 arbeitet er für Joseph Beuys als Helfer bei Berliner Ausstellungen.

1983 gründet er seine erste Galerie in Salzburg.

1990 Expansion nach Frankreich mit der Gründung einer Galerie in Paris.

2010 eröffnet er mit der Salzburg Halle einen weiteren Ausstellungsstandort.

2012 Eröffnung eines weiteren Schauraums für monumentale Kunst im Pariser Stadtteil Pantin.

2017 Expansion nach England. Im Frühjahr soll die neue Galerie im Londoner Stadtteil Mayfair eröffnet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2016)

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