Schlammig, na und? Gerechtigkeit für den Pangasius!

Auch bei Fischen findet man falsch deklarierte Produkte: Oft wird ein Schlankwels per Aufschrift geadelt. Dabei hat er das gar nicht nötig.

Yuck? Ja, was soll denn das heißen? Bei uns sagt man noch immer „Igitt“! So reagiert eine freundliche Leserin auf unsere gestrigen Auslassungen zum Thema Ekel. Sie hat im Prinzip recht (deutsche Wörter haben Vorrang vor englischen), aber diesfalls unrecht: „Igitt“ leistet nicht, was „Yuck“ leistet; wer es ausspricht, rümpft vielleicht die Nase, zieht aber die Mundwinkel nicht herab, und das gehört zum Ekelgesicht dazu. Außerdem besteht der Verdacht, dass „Igitt“ blasphemischer Abkunft ist: eine verhüllende Umformung des Ausrufs „O Gott!“, ähnlich wie das Tirolerische „Hardigatti!“ eine Verzerrung von „Herrgott!“ ist. Und blasphemisch wollen wir hier möglichst selten sein.

Nachzutragen wäre noch eine spezielle Ausformung des Fleischekels, die man gelehrt vielleicht als „Glossaphobie“ bezeichnen könnte: der Abscheu vor tierischen Zungen auf dem Teller, ob sie nun geselcht oder gekocht seien. Mein Großvater pflegte ihn einleuchtend zu begründen: „Ich ess' doch nix, was ein anderer schon im Mund gehabt hat!“

Für eine Ausweitung des Diskurses – zumindest auf den ganzen Stamm der Chordatiere – spricht ein Bericht der „Welt“: Zu den häufigsten Beanstandungen der Lebensmittelüberwachung zähle die „Falschdeklaration von Fischen“. Nein, man hat keine Seepferd-DNA in einer Fischbeuschelsuppe gefunden. Aber eine angebliche Seezunge stellt sich oft als Pangasius heraus. Dieser ostasiatische Schlankwels wird ja immer mehr zum Underdog – um nicht zu sagen: zum Schwein – unter den Fischen.

Viele glauben wohl fälschlich, dass der Pangasius nach einem vergessenen Heiligen heißt, der womöglich nur mehr bei Fischvergiftungen angerufen wird. Aber das stimmt nicht, sein Name ist zwar nicht von katholischer, aber doch von altehrwürdiger Abkunft: „Panka“ heißt auf Sanskrit „Schlamm“. Das klingt schmutzig, aber ist auch eine Wurzel des indischen Namens „Pankaj“: Der leitet sich aus „Panka“ und „ja“ (geboren) ab und bedeutet also so viel wie „aus dem Schlamm geboren“. Harry-Potter-Fans werden das womöglich mit dem rassistischen Ausdruck „Schlammblut“ – für Zauberer, deren Eltern Muggel (nicht magisch begabt) sind, z.B. die Zahnarzttochter Hermine Granger – assoziieren, doch es steht für eine edle Pflanze: für die Lotusblume, die aus Trübem wächst und genau deshalb Symbol der Reinheit ist. Ein verwandtes bengalisches Wort für „schlammfarbener Fisch“ jedenfalls wurde zu Pangasius latinisiert, und so heißt er jetzt, der gute Fisch, dem man nur eines vorwerfen kann: dass er so häufig und billig ist.

Wir wünschen ihm, dass ihm eine Karriere wie einst dem Lachs beschieden sei: vom Massenfisch zum Symbol der höheren Lebensart. Dass es bald heißen möge: Stell dich schnell an beim Buffet, die Pangasiusbrötchen sind immer so rasch weg!

E-Mails an:thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2013)

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