Bitte einen Boskoop vom Baum der Erkenntnis...

Einen Apfel mehr pro Woche sollen wir essen, sagte Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Hat er auch alle Folgen bedacht?

„An apple a day keeps the doctor away“: Wenn die geburtenstärksten Jahrgänge dereinst wegen unverschämter Langlebigkeit das Pensionssystem noch stärker als vorhergesagt strapazieren werden, könnte auch dieses Sprichwort schuld sein. Es stand in „Ann and Pat“, unserem Englischlehrbuch.

Vielleicht hat es auch den Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (elftes Kind einer Tiroler Bauernfamilie, Jahrgang 1961, das war der viertstärkste Geburtenjahrgang) zu seinem Vorschlag inspiriert, man möge den von Putins Importsperre getroffenen Obstbauern zuliebe einen Apfel pro Woche mehr essen.

Mich (1964, zweitstärkster Jahrgang) hat es, um wieder einmal aus der Schule zu plaudern, einst dazu ermuntert, stets einen Apfel im Bankfach zu haben, den ich im Lauf des Vormittags aß, was vielleicht nicht so appetitlich aussah und meinen Sitznachbarn derart grauste, dass er bei mehreren Gelegenheiten wütend mit dem Zirkel auf die halb verzehrte Frucht einstach.

So lernte ich, dass das Wort „Zankapfel“ nicht nur seine Berechtigung hat, wenn es gilt, eine Schönste zu wählen. Für diesen Fall zahlt es sich übrigens auch aus, stets einen Apfel bei sich zu tragen, der sollte aber dann nicht angebissen sein, das gefällt weder Hera, Athene noch Aphrodite.

Auch nicht Eva. Die Erste dieses Namens wurde ja aus dem Garten verwiesen, noch bevor sie auch noch eine Frucht vom Baum des Lebens (nach dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen) pflücken konnte. Man würde gerne wissen: Waren das verschiedene Apfelsorten? Einmal Eveapfel alias Manks Codlin, einmal Adams Parmäne vulgo Norfolk Pippin?

Bitte nicht schimpfen, liebe Leserin, ich weiß eh, dass die Frucht aus der Genesis höchstwahrscheinlich kein Apfel war. Aber Feigen mag ich nicht, und das Wortspiel mit „malus“ (böse) und „malum“ (Apfel) liegt nahe, auch wenn in einem Wort das „a“ kurz und im anderen lang ist.

Der Apfel ist auch deshalb eine philosophisch wertvolle Frucht, weil er in seinen vielen Sorten die Weisheit verkörpert, dass Schönheit trügerisch sein kann. So sind die äußerlich ansehnlichsten Sorten oft die fadesten, man denke an Gala oder Golden Delicious. (Der mehlige Red Delicious, der nicht einmal schön ist, ist ja zum Glück aus den meisten Regalen verschwunden.) Der Boskoop, den nicht nur die Chefin vom Dienst der „Presse“ für den besten Apfel hält, ist im Auge des Laien eher hässlich, er ist auch umso besser, je bräunlicher und rauer sein Äußeres ist.

Adrett und schmackhaft zugleich sind z.B. der Cox Orange oder die Pink Lady, die heute so einen Boom hat wie in den Achtzigern die Granny Smith, keine Ahnung, ob das etwas über unsere Zeit sagt. Auch nicht zu verachten ist der Kronprinz, er sei Rupprechters Lieblingssorte, raunen die Kollegen aus dem innenpolitischen Ressort, sie werden schon wissen warum.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2014)

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