Wacker, wacker, Johannesburg!

Da meine väterliche Hilfe bei der Panini-Akquisition heuer nicht mehr gefragt ist, muss ich mir einen anderen Zugang zum biennalen Fußballfieber finden. Was läge näher als ein Lied?

Am nächsten liegt der offizielle WM-Song. „Waka Waka“ heißt er, am 11. Juni in Johannesburg wird ihn Shakira vortragen. Es ist laut TV-Magazin „Tele“ ein Song, „dessen Text Themen wie Integration und globale Vereinigung zum Inhalt hat“.

Das erschließt sich mir nicht. Das flotte Stück beginnt mit: „You're a good soldier / choosing your battles / pick yourself up / and dust yourself off / and back in the saddle“, und in dieser Dur geht's weiter, Gebrauchs-poesie für Cowboys und Söldner. Der Refrain ist auch dem kamerunischen Lied „Zangaléwa“ entnommen, das Soldaten in ganz Afrika singen.

„Waka Waka“ hieß übrigens auch ein viel besserer Afrobeat-Song von Fela Kuti aus dem Jahr 1966; „Waka“ wurde dann der Name eines ganzen, vor allem in Nigeria beliebten Musikgenres. Und Freunde antiker Videospiele kennen „Waka, waka, waka“ als typischen Klang des Pac-Man.

Aber was heißt „Waka Waka“? Ein kleiner Internet-Streifzug ergab Übersetzungsvorschläge wie „Auf geht's“, „Los jetzt“, „Do it!“, aber auch die Erklärung „Waka is something one says to his/her peers meaning joyful or full of life“. „Waka Waka“ heißt also, wenn man das sagen darf, ungefähr so viel wie „Lei, lei!“ oder „Balla, balla“. Ein Fall von karnevalesker Reduplikation.

Gewiss, Reduplikation dient in manchen Sprachen (z.B. Indonesisch, Malaysisch) der Pluralbildung, manchmal der Intensivierung (z.B. im französischen Bonbon); im alten Indogermanischen wurde sogar das Perfekt durch Verdopplung der Anfangssilbe gebildet.


Aber sie hat etwas Archaisches, Kindliches an sich, psychoanalytisch gebriefte Sprachforscher finden ihren Ursprung im Lallen der Säuglinge am (doppelten) Busen, fortgeführt in den kindlichen Namen für die Eltern, Mama und Papa. Auch die in vornehmen Kreisen verbreiteten Kosenamen wie Bibi, Kiki, Mimi, Didi und wohl auch Lulu und Sascha sind infantiler Provenienz.

Man könnte spekulieren, dass die von mir so geliebte Reduplikation mit Vokaländerung – wie in Ob-La-Di, Ob-La-Da, Taka-Tuka-Land oder Gschisti-Gschasti – eine fortgeschrittenere, spätkindliche oder gar pubertäre Bildungsform ist.

In diese Kategorie gehört es wohl auch, wenn ich bei Shakiras Lied immer „Wacker, wacker!“ höre und an die Mannschaften Wacker Innsbruck und Admira Wacker denken muss. Schade, dass das Wort „wacker“ (etymologisch mit „wach“ verwandt, aber nicht mit „Wackerstein“, der kommt vom süddeutschen „Wacke“=Stein) allmählich verschwindet! Warum der Siegeszug des klangähnlichen Wortes „lecker“ mich nicht darüber hinwegtröstet? Keine Ahnung. Ich weiß nur: Einen Karneval, dessen Hymne „Lecker, lecker“ heißt, den würde ich durch Abwesenheit strafen.


thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2010)

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