Der Hipster ist nicht hipp, aber noch ganz munter

Wem das Wort „cool“ auf die Nerven geht, der darf auf „hip“ wechseln. Doch er sollte es nicht mit Doppelkonsonant schreiben.

Es musste ja kommen. Nun las man in der „Süddeutschen Zeitung“ „hip“ als „hipp“ geschrieben, wie die Babynahrung also, was den Sinn dieses Adjektivs irgendwie konterkariert. In den Augen von Rechtschreibkommissaren ist das wohl konsequent, schließlich schreibt man auch „Pepp“ und nicht mehr „Pep“. Es sind freilich fürchterliche Folgen vorauszusehen. Jetzt wird bald der erste Orthografiestreber „Hipp-Hopp“ schreiben, dann wird „Popp“ statt „Pop“ kommen und „Rapp“ statt „Rap“. (Das Scherzchen, dass sich dann bald ein österreichischer MC „Peter Rapp“ nennen wird, gestatte ich mir nur zwischen Klammern.)

Wozu braucht man das Wort „hip“ eigentlich? Ganz praktisch gesprochen: Es leistet immer dann gute Dienste, wenn das Wort „cool“ gerade eine Krise wegen inflationärer Verwendung durchmacht. Heute etwa, wo schon im Kindergarten alles cool (und geil) ist, ist es einsatzbereit. Es hat respektable Wurzeln: Die überzeugendste Ableitung ist die vom westafrikanischen Wort „hepcat“, was „mit offenen Augen“ bedeutet. Das erklärt auch, warum es anfangs oft in der Fügung „hip cat“ vorkam. So nannten die Jazzer der Bebop-Ära einander lobend: ein feines Beispiel für Volksetymologie.

Das Substantiv zu „hip“ ist nicht der Hippie – der ist nur alle heiligen Sommer hip –, sondern der Hipster. „Man get hip with the hipster“, sang 1947 Harry „The Hipster“ Gibson im Song „It Ain't Hep“, in dem er erstens festhält, dass es nicht „hep“, sondern „hip“ heiße, und zweitens erklärt: „It ain't hip to think you're ,in there‘, because of the zooty suit you wear.“

Das ist bis heute gültig: Genauso wie „cool“ impliziert das Prädikat „hip“, dass es nicht (nur) eine Oberfläche, eine Mode bezeichnet, sondern eine Haltung. Wobei bei „cool“ mehr das Ideal der Gelassenheit mitschwingt, bei „hip“ mehr Aufregung. Das Gegenteil zu „hip“ ist traditionellerweise „square“, davon zeugt der paradoxe Spruch „It's hip to be square“. So hieß 1986 ein Song von Huey Lewis and the News. Ein Sonderfall der tautologischen Definition: Hip ist, was der Hipster tut.

Dieser sei ein „Phänomen der Nullerjahre“, diagnostizierte unlängst „Die Zeit“ – und zitierte Norman Mailer, der ihn 1957 als „White Negro“ definiert hatte. Was damals passte, da Hipness zum ersten Mal im (schwarzen) Jazz zelebriert wurde.

Zeitloser ist die Erklärung, die Diedrich Diederichsen 1985 in „Sexbeat“ gab. „Bohemia besteht aus zwei Sorten Menschen: Hipster und Hip-Intellektuelle“, schrieb er: „Die Hip-Intellektuellen sind die Maler, die Hipster das Sujet.“ Wobei sich, so der Hamburger Diederichsen, „ein Hamburger Hip-Intellektueller vor einem Londoner Hip-Intellektuellen nicht zu verstecken“ brauche.

Hipp-Intellektueller, das liest sich nicht ganz so rühmlich. Man könnte darunter z.B. einen Mann verstehen, der auf Karenz geht, aber die Zeit hauptsächlich dazu nützt, ein Buch über neue Väter zu schreiben. Das kann er dem Sohn oder der Tochter 20 Jahre später vorlesen.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2010)

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